Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Vergütungsanspruch bei Vertretung mehrerer Streitgenossen, von denen nicht alle einen Prozesskostenhilfeanspruch haben. Bestimmung der Erhöhungsgebühr. Anrechnung von erhaltenen Zahlungen. keine kopfanteilige Berechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Vertritt ein Rechtsanwalt mehrere Streitgenossen, die nicht alle einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, besteht zwar ein Vergütungsanspruch in Höhe der vollen Gebühren gegen die Staatskasse. Die Erhöhung nach Nr 1008 VV RVG (juris: RVG-VV) bestimmt sich aber nur nach der Zahl der Streitgenossen, für die Prozesskostenhilfe bewilligt wurde.
2. Besteht gegen den Prozessgegner ein Anspruch auf teilweise Übernahme von außergerichtlichen Kosten, muss der Rechtsanwalt sich gemäß § 58 Abs 2 RVG die erhaltenen Zahlungen anrechnen lassen. Dies gilt aber nur, soweit diese die von ihm vertretenen prozesskostenhilfebedürftigen Kläger betreffen.
3. Sowohl bei der Bestimmung des Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse als auch bei Anrechnung erhaltener Zahlungen erfolgt keine kopfanteilige Berechnung (hier: Bewilligung von Prozesskostenhilfe für zwei von drei Klägern).
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde des Beschwerdegegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. März 2021 geändert und die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 422,09 € festgesetzt. Die Beschwerdeführerin hat die überzahlten Leistungen i.H.v. 220,25 € an den Beschwerdegegner zu erstatten.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Beschwerdegegners zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Landeskasse zu zahlende Rechtsanwaltsvergütung für ein abgeschlossenes Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg.
In dem Klageverfahren S 47 AS 1702/15 wendeten sich die drei in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger gegen die Höhe der mit Bescheid vom 25. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2015 verfügten Aufhebung und Erstattung überzahlter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Dies erfolgte wegen der Anrechnung von hinzugetretenem Einkommen auf den Hilfebedarf der Kläger.
Die Prozessbevollmächtigte und Beschwerdeführerin erhob am 18. Juni 2015 Klage und beantragte am 3. Juli 2015 Prozesskostenhilfe für die Kläger. Sie nahm Akteneinsicht und begründete die Klage mit Schriftsatz vom 2. Juni 2016 auf zwei Seiten. Sie rügte die Berechnung der überzahlten Leistungen wegen höherer Wohnkosten als bislang zugrunde gelegt. Das Sozialgericht bewilligte mit Beschluss vom 13. März 2018 den Klägerinnen zu 1. und 3. Prozesskostenhilfe; den Antrag des Klägers zu 2. lehnte es ab.
In dem Erörterungstermin am 15. Juni 2019 (Dauer: 9:27 Uhr bis 10:38 Uhr) wurde die Sach- und Rechtslage erörtert und der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich erledigt. Der Beklagte verpflichtete sich zur Erstattung von 50% der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
In dem Antrag auf Kostenfestsetzung vom 31. Juli 2019 nach § 126 Zivilprozessordnung (ZPO) gegen den Beklagten machte die Beschwerdeführerin insbesondere eine Verfahrensgebühr (VV 3102 RVG) i.H.v. 383 € (= 4/3 der Mittelgebühr), erhöht um 229,80 € bei drei Auftraggebern, eine Einigungs-/Erledigungsgebühr (VV 1006 RVG) i.H.v. 383 € sowie eine Termingebühr (VV 3106 RVG) i.H.v. 423 € geltend. Mit den weiteren Einzelpositionen sowie einem Abzug von 50% der Bruttosumme ergab sich ein Zahlungsanspruch von 877,74 €.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 28. Mai 2020 die von dem Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 749,34 € festgesetzt. Dabei hat sie eine Verfahrensgebühr (VV 3102 RVG) in Höhe der Mittelgebühr (= 300 €), erhöht um 0,6 (= 180 €) bei drei Auftraggebern (VV 1008 RVG) berücksichtigt. Für die Einigungs-/Erledigungsgebühr (VV 1006 RVG) hat sie ebenfalls die Mittelgebühr
(= 300 €) zugrunde gelegt. Die Termingebühr (VV 3106 RVG) hat sie antragsgemäß mit 423 € anerkannt; ebenso die übrigen hier nicht streitigen Positionen. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Beschwerdeführerin hat das Sozialgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 31. März 2021 zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hatte bereits am 19. Juni 2019 die Festsetzung der Gebühren und Auslagen für die bewilligte Prozesskostenhilfe beantragt. Abweichend von der vorherigen Rechnungslegung hatte sie eine Gebührenerhöhung für die Verfahrensgebühr nur um 30% wegen zwei Auftraggebern vorgenommen; im Übrigen hatten sich keine Änderungen ergeben. Von dem Gesamtbetrag von 1.618,76 € sei die Zahlungspflicht des Beklagten i.H.v. 877,74 € abzusetzen, sodass ein Erstattungsbetrag gegen die Landeskasse i.H.v. 741,02 € verbleibe.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 28. August 2019 die der Beschwerdeführerin entstandenen Kosten gegen die...