Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Rentenversicherungsträgers zur Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes bei Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung bzw. einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Rente wegen Erwerbsminderung. Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Wegefähigkeit. TEP-Implantation. Schmerzen
Leitsatz (redaktionell)
Auch Versicherte mit erhaltenem zeitlichen Leistungsvermögen gelten als voll erwerbsgemindert, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, an eine Arbeitsstelle zu gelangen. Maßstab hierfür ist die Fähigkeit, viermal täglich eine Strecke von 500 Metern innerhalb von 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Orientierungssatz
1. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen führt trotz eines Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zur Pflicht des Rentenversicherungsträgers, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Reicht das restliche Leistungsvermögen des Versicherten noch aus für zumindest leichte körperliche Verrichtungen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen, so besteht weder ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser noch wegen voller Erwerbsminderung, vgl. BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95.
2. Das Gleiche gilt beim Vorliegen eines sog. Seltenheits- oder Katalogfalles. Der Arbeitsmarkt gilt u. a. als verschlossen, wenn einem Versicherten die sog. Wegefähigkeit fehlt. Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden.
Normenkette
SGB VI § 43
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Der am ... 1962 geborene Kläger absolvierte eine Schulausbildung von zehn Klassen. Er durchlief vom 1. September 1979 bis zum 15. Juli 1981 erfolgreich eine Ausbildung zum Baufacharbeiter und war bis Februar 2004 bei verschiedenen Arbeitgebern als Maurer bzw. Traktorist versicherungspflichtig beschäftigt. Er stürzte am 13. Januar 2003 bei Glätte mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Freiwilligen Feuerwehr und zog sich hierbei eine Patellafraktur am linken Knie zu. Er bezog zunächst Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, vom Februar bis Oktober bzw. von November bis Dezember 2003 Krankengeld und im Übrigen Arbeitslosengeld; seit dieser Anspruch erschöpft ist, bezieht er Arbeitslosengeld II.
Der Kläger beantragte bei der Beklagte am 22. April 2005 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst die Unterlagen über den Unfall im Januar 2003 bei. Nach dem Bericht des Kreiskrankenhauses K. vom 7. Mai 2003 ist die Patellafraktur dort zunächst konservativ behandelt und sodann eine Arthroskopie durchgeführt worden. Nach dem Befundbericht von dem Facharzt für Chirurgie/H-Arzt Dr. M. vom 17. September 2003 waren bei dem Kläger noch Schmerzen und ein Bewegungsdefizit am linken Knie vorhanden. Aus dem beigefügten Befund der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. G. vom 2. Juli 2003 über die am 1. Juli 2003 durchgeführte Magnetresonanztomografie (MRT) geht hervor, es bestehe ein Zustand nach Patellafraktur lateral, wobei diese verheilt sei. Es lägen ein retropatellarer Knorpelschaden II. bis III. Grades und ein mäßiggradig ausgeprägter Gelenkerguss vor. In dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Dipl. Med. M., vom 15. September 2003 wird eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bejaht. Zu empfehlen seien medizinische oder berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahmen. Der Kläger habe noch deutliche Schmerzen beim Gehen; das Treppensteigen sei nur mit Mühe möglich. Aus dem Entlassungsbericht der Teufelsbad Fachklinik vom 19. November 2003 über die dem Kläger daraufhin bewilligte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 22. Oktober bis zum 12. November 2003 geht hervor, dem Kläger seien körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Es müssten Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben durchgeführt werden. Unter dem 19. Mai 2004 wurde im Rahmen der Prüfung dieser Maßnahmen ein Ergebnisbericht zur arbeitsmedizinischen Begutachtung von der Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Röpke erstellt. Eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme könne aus ärztlicher Sicht begonnen werden. Vorher solle jedoch eine Schmerzmedikation zur Verbesserung der Belastbarkeit erfolgen. Der Kläger sei für leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zu Haltungswechseln vollschichtig einsetzbar. Für den Arbeitsweg sind im negativen Leistungsbild keine Einschränkungen angegeben. Nach dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses K. vom 6. Oktober 2004 wurde der Kläger dort vom 22....