Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter einer GbR. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Indizwirkung der wirtschaftlichen Abhängigkeit. sozialgerichtliches Verfahren. Parteifähigkeit einer GbR

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der - bejahten - Versicherungspflicht wegen abhängiger Beschäftigung von Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gegenstand die Lieferung und Montage von Fertigelementen und Stalleinrichtungen sowie weiterem Bedarf für landwirtschaftliche Stallbauten ist. In Bezug auf die Abgrenzung der selbstständigen Tätigkeit von der abhängigen Beschäftigung bildet die wirtschaftliche Abhängigkeit ein gewichtiges Indiz.

2. Nach der inzwischen allgemein anerkannten Gruppenlehre ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts parteifähig und damit parteifähig im sozialgerichtlichen Verfahren im Sinne des § 70 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.01.2021; Aktenzeichen B 12 R 12/20 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte zu Recht gegenüber der Klägerin eine Beitragsnachforderung in Höhe von 236.467,35 € für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2006 geltend macht.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 1. Juli 2002 (diese und alle nachfolgenden, die Klägerin betreffenden Vereinbarungen sind in deutscher Sprache verfasst) errichteten N1, N2, V, W2 (Beigeladener zu 12.), W5 (Beigeladener zu 6.), K (Beigeladener zu 16.), P (Beigeladener zu 14.) und S (Beigeladener zu 8.) die in § 1 des Gesellschaftsvertrages in den Fassungen vom 1. Februar 2002, 1. September 2003 und 27. Dezember 2004 namentlich bezeichnete „V GbR“, die den vorliegenden Rechtsstreit als Klägerin und Berufungsklägerin führt, mit Sitz in W1 in Sachsen-Anhalt. Gleichzeitig wurde G2 (Beigeladener zu 5.) in die Gesellschaft aufgenommen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 1. September 2003 nahm die Klägerin W1, W4 (Beigeladener zu 18.) und G3 (Beigeladener zu 7.) in die Gesellschaft auf. Mit Gesellschafterbeschluss vom 5. Januar 2004 erfolgte die Aufnahme von W3 und G1 (Beigeladene zu 17. und 4.). Mit dem Gesellschafterbeschluss vom 5. Januar 2005 wurden K, S und W4 (die Beigeladenen zu 16., 8. und 18.) „wegen grober Pflichtverletzung und Verstoß[es] gegen den gemeinschaftlichen Zweck der Gesellschaft“ mit Wirkung zum 31. Dezember 2004 aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 10. Januar 2005 wurden D (Beigeladener zu 1.), F (Beigeladener zu 2.), C (Beigeladener zu 13.), W6 (Beigeladener zu 19.), M (Beigeladener zu 3.) und G4 (Beigeladener zu 15.) als Gesellschafter aufgenommen.

Die Gesellschaft wurde zunächst auf fünf Jahre bis zum 30. Juni 2006, nachfolgend bis zum 30. Juni 2008 und zum 30. Juni 2015 „fest begründet“ (§ 1 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages in den Fassungen vom 1. Februar 2002, 1. September 2003 und 27. Dezember 2004). Nach Aktenlage und Vorbringen der Klägerin erfolgte diese Regelung letztmalig für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2016 mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juli 2010. Eine Regelung über die Fortdauer der Geschäftsführerbestellung über den Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft hinaus enthält dieser Gesellschaftsvertrag nicht. Mit am 17. Februar 2012 notariell beurkundetem Vertrag gründeten die V GbR, W1, V, S, W5, G4, G3, F, D, W4, M, G1 und G2 eine V GmbH.

Mit dem vorgenannten Gesellschafterbeschluss vom 1. Juli 2002 wurde V, mit Beschluss vom 25. August 2006 auch W1 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer eingesetzt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 5. Januar 2005 wurde der Sitz der Gesellschaft von W1 nach F (einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt mit circa 700 Einwohnern) geändert. Für die Geschäftsführertätigkeit wurden Dienstverträge mit einer monatlichen Vergütung von 1.500,00 € netto (V) und 3.000,00 € brutto (W1) geschlossen.

Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages in den Fassungen vom 1. Februar 2002, 1. September 2003 und 27. Dezember 2004 die Lieferung und Montage von Fertigelementen und Stalleinrichtungen sowie weiterem Bedarf für landwirtschaftliche Stallbauten. Zu den Einlagen der Gesellschafter ist geregelt: „Die Arbeitskraft der Gesellschafter ist in dem Umfang zu erbringen, sofern dies zur Erreichung des in § 2 genannten Zwecks notwendig ist. Der Gesellschafter zu 3. [Anm.: V] ist hauptberuflich in der Gesellschaft tätig. Die Gesellschafter zu 4. bis 8. [Anm.: W2, W5, K, P, S, d.h. die Beigeladenen zu 12., 6., 16., 14., 8.] sind auf Abruf der Gesellschaft bis zu 6 Monate für die Gesellschaft im Kalenderjahr tätig“ (§ 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom 1. Februar 2002). In § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages in der Fassung vom 1. September 2003 wurde der zweite Satz dieser Regelung wie folgt geän...

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