Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. GmbH-Geschäftsführer. Rechtsmacht. keine Berücksichtigung von außerhalb des Gesellschaftsvertrags zustande gekommenen Abreden oder Absprachen. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit eines Geschäftsführers und Gesellschafters.
2. Ist der Geschäftsführer ein Minderheitsgesellschafter, weil er weniger als 50 bzw genau 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält, und verfügt er nicht kraft ausdrücklicher Regelung im Gesellschaftsvertrag über eine umfassende Sperrminorität, ist von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen (im Anschluss an BSG vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R und B 12 R 5/16 R = BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35).
3. Die für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit notwendige Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetzt, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, muss gesellschaftsrechtlich eingeräumt sein. Mündliche Absprachen oder Stimmbindungsabreden erfüllen diese Anforderung nicht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Feststellung ihrer abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nach dem Vierten Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) für die Zeit vom 1. April 2007 bis zum 30. September 2009 (Statusfeststellung).
Die Kläger sind Geschäftsführer und Gesellschafter der Beigeladenen zu 1), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Der Kläger zu 1) übernimmt seit dem 1. April 2007 die Geschäftsführung für den Bereich "Werkstatt"; der Kläger zu 2) für den Bereich "Autohandel".
Die Beigeladene zu 1) wurde am 20. Januar 2003 in das Handelsregister eingetragen. Zunächst war R. S. sen. alleiniger Gesellschafter. Später traten sein Sohn sowie die beiden Kläger als Gesellschafter hinzu.
Die Anteile an der Beigeladenen zu 1) waren bei einem Stammkapital von insgesamt 25.000,00 Euro laut Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 24. Mai 2007 wie folgt verteilt:
R. S., sen. 15.000,00 Euro, entspricht 60 Prozent des Stammkapitals,
R. S., jun. 5.000,00 Euro, entspricht 20 Prozent des Stammkapitals,
Kläger zu 2) 2.500,00 Euro, entspricht 10 Prozent des Stammkapitals,
Kläger zu 1) 2.500,00 Euro, entspricht 10 Prozent des Stammkapitals.
Nach Punkt I. § 6 (Gesellschafterbeschlüsse) werden Gesellschafterbeschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. In Punkt II. des Protokolls heißt es: " Die Geschäftsführer [Kläger] vertreten die Gesellschaft gemeinschaftlich mit einem anderen Geschäftsführer oder einem Prokuristen. Es wird klargestellt, dass der bisherige Geschäftsführer R. S. sen. weiterhin alleinvertretungsberechtigt ist.".
Die Kläger zu 1) und zu 2) haben jeweils mit der Beigeladenen zu 1) zum 1. April 2007 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geschlossen. Danach betrug das Monatsgehalt für jeden 2.850,00 Euro brutto zuzüglich einer Betriebsrente in Höhe von monatlich maximal 200,00 Euro. Die Kläger erhalten eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und haben Anspruch auf jeweils 28 Tage im Jahr bezahlten Urlaub. Über den ihnen zustehenden Jahresurlaub dürfen die Kläger frei bestimmen. Auch in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit und des Arbeitsortes seien die Kläger als Geschäftsführer " völlig frei " und keinerlei Anweisungen der Gesellschafterversammlung unterstellt (§ 3 der Geschäftsführer-Anstellungsverträge). In § 1 der Geschäftsführer-Anstellungsverträge heißt es unter anderem: " Seine Geschäftsführertätigkeit ist mehr durch gesellschaftsrechtliche Rücksichtnahmen und ein gleichgerichtetes Nebeneinander, als durch einen für Arbeitnehmer/-geberverhältnisse typischen Interessengegensatz gekennzeichnet. Die gesellschaftliche Verbundenheit schafft hierbei ein Gefühl höherer Verantwortung und bewirkt einen Einklang der Interessen. Es fehlt also an der persönlichen Abhängigkeit. Der Geschäftsführer ist somit nicht in einem fremden, sondern im eigenen Unternehmen reibungsfrei und damit selbstständig tätig ". Der Eintrag über die Geschäftsführertätigkeiten der Kläger in das Handelsregister erfolgte am 15. November 2007.
Am 28. Februar 2008 beantragten der Kläger zu 1) und am 29. Februar 2008 der Kläger zu 2) bei der Beklagten die Feststellung ihres Status nach § 7a SGB IV (Anfrageverfahren).
Mit Schreiben vom 28. April 2008 hörte die Beklagte die Kläger zu 1) und zu 2) sowie die Beigeladene zu 1) an.
Mit Bescheiden vom 3. Juni 2008 stellte die Beklagte gegenüber den Klägern und der Beigeladenen zu 1) jeweils fest, dass ein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 1. April 2007 b...