Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsrecht. ehemalige DDR. Anerkennung einer Berufskrankheit. DDR-Recht. berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit. soziale Bedeutung. Verwaltungspraxis
Orientierungssatz
Zur Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit beim Eintritt des Versicherungsfalles im Beitrittsgebiet nach dem 1.1.1991 und beim Vorliegen einer MdE in Höhe von 10% als Berufskrankheit gem BKVMBVDBest 1 Nr 50 (berufsbedingte Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung), wenn die vom Ministerium für Gesundheitswesen der DDR erlassene, am 1.9.1989 in Kraft getretene Richtlinie zur Begutachtung von arbeitsbedingten Hörschäden (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Gesundheitswesen, 1989, Nr 6, S 57 = abgedruckt in der Sonderschrift 4 der Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin - Berufskrankheiten im Gebiet der neuen Bundesländer - 1945 bis 119, Berlin 1994, S 269ff) einen Körperschaden in Höhe von mindestens 20% voraussetzt.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Schwerhörigkeit als Berufskrankheit.
Der ... 1939 geborene Kläger erlernte den Beruf des Werkzeugmachers und war zunächst von 1954 bis 1974 im erlernten Beruf in einem Chemiewerk in K beschäftigt; anschließend war er bis 30. Juni 1991 als Berufsausbilder in der Stanzerei der Justizvollzugsanstalt D beschäftigt. Nach kurzer Arbeitslosigkeit war der Kläger danach bei einem Wach- und Sicherheitsdienstunternehmen tätig.
Mit einer ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit vom 23. Mai 1994 teilte der Facharzt für HNO-Heilkunde, Dipl. med. P, der Maschinenbau- und Metall-Berufsgenossenschaft mit, dass bei dem Kläger der Verdacht auf eine Berufskrankheit "Schwerhörigkeit" wegen beruflicher Lärmexposition bestünde. Die Beschwerden seien beim Kläger erstmals 1985 aufgetreten. Die Beklagte beauftragte ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) mit Ermittlungen zum Umfang der berufsbedingten Lärmbelastung; dieser kam in einer Arbeitsplatz- und Tätigkeitsbeschreibung vom 7. März 1994 zu dem Ergebnis: Der Versicherte habe während seiner Tätigkeit in der Kommunalen Berufsschule als Lehrmeister Strafgefangene berufspraktisch unterwiesen. Er sei dabei sowohl in einer mit Dreh- und Fräsmaschinen ausgestatteten Werkstatt als auch in einer mit Hydraulikpressen und Stanzen ausgestatteten Werkhalle tätig gewesen. In der Halle seien keine Trennwände angebracht gewesen; einen Gehörschutz habe der Kläger nicht getragen. Bei den Lärmwerten für hydraulische Pressen zwischen 88 und 103 dB (A) und für Hydraulikpressen zwischen 96 und 103 dB (A) und der vorliegenden Expositionszeit von 17 Jahren sei im Fall des Klägers mit Gehörschädigungen zu rechnen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Lärmschwerhörigkeit des Klägers auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei. Die Beklagte holte des Weiteren einen Befundbericht des Facharztes für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. N ein. Danach hatte dieser den Kläger wegen einer Hörstörung im Juni/Juli 1972 behandelt. Nach den Audiogramm-Befunden habe es sich um eine Schallempfindungsschwerhörigkeit gehandelt; als Ursache komme der beruflich bedingte Lärm in Betracht. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Arzt für HNO-Heilkunde/Audiologie Dr. med. O. W ein Gutachten vom 25. April 1996, in welchem er zu dem Ergebnis kam: Die durchgeführten Hörprüfungen hätten eine geringgradige Schwerhörigkeit beidseits ergeben. Andere Ursachen für die Entstehung des Hörschadens als die berufliche Lärmeinwirkungen könnten klinisch und anamnestisch ausgeschlossen werden. Das Sprachaudiogramm ergebe nach Boeninghaus/Röser einen prozentualen Hörverlust von beidseits 20 %. Der Beginn der Berufskrankheit sei mit dem Tag des Ausscheidens aus dem Lärmberuf, nämlich mit dem 30. Juni 1991, anzunehmen. Als Folge des berufsbedingten Lärmhörschadens sei die MdE mit 10 v. H. einzuschätzen. In einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 8. Mai 1996 für die Beklagte kam die Gewerbeärztin Dipl.-Med. Sch zur Einschätzung, die notwendigen Voraussetzungen zur Anerkennung als Berufskrankheit lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 22. Mai 1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab und führte aus, die beim Kläger bestehende Hörminderung stelle keine Berufskrankheit nach § 221 des Arbeitsgesetzbuches der ehemaligen DDR (AGB) dar. Die auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Berufskrankheitenverordnung vom 26. Februar 1981 bezeichne in ihrer Ersten Durchführungsbestimmung Berufskrankheiten. Die dort aufgeführte Berufskrankheit Nr. 50 setze eine Erkrankung durch Lärm voraus, die Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung verursache. Eine soziale Bedeutung liege nur dann vor, wenn die Hörschädigung zu sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten im täglichen Leben führe, d. h. ein Körperschaden von 20 v. H. bestehe. Für die Bemessung des Körperschadens seien gem. § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) die Be...