Leitsatz
Die voneinander geschiedenen Eltern hatten ein gemeinsames behindertes Kind. Im Rahmen der Auseinandersetzung über den nachehelichen Unterhalt stellte sich die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit eines steuerlich gewährten Behinderten-Pauschbetrages für das Kind aufseiten des Ehemannes im Rahmen der Bemessung des nachehelichen Unterhalts.
Sachverhalt
Die Parteien hatten am 16.12.1988 geheiratet. Aus ihrer Ehe war ein am 23.5.1990 geborener Sohn hervorgegangen, der wegen seiner Diabetes als behindert galt und im Haushalt seiner Mutter lebte.
Die Ehefrau begehrte Zahlung nachehelichen Unterhalts und vertrat die Auffassung, dem Ehemann sei fiktiv ein höheres Einkommen zuzurechnen, da ihm wegen der Behinderung des gemeinsamen Kindes ein - von ihm steuerlich nicht geltend gemachter - Freibetrag zustehe.
Das erstinstanzliche Gericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung verfolgte der Ehemann seinen Abweisungsantrag weiter.
Sein Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg.
Entscheidung
Das OLG teilte die Auffassung der Klägerin zu der Berücksichtigungsfähigkeit eines steuerlich gewährten Behinderten-Pauschbetrages nicht. Der Freibetrag gem. § 33b EStG sei funktional ebenso zu behandeln wie Kindergeld, welches ebenfalls nicht als sonstiges Einkommen im Rahmen der Ermittlung des nachehelichen Bedarfs gem. § 1578 BGB zu berücksichtigen sei.
Zweck sowohl des Freibetrages nach § 33b EStG wie auch des Kindergeldes sei eine Entlastung des Elternteils. Man verkehre die Entlastung ins Gegenteil, wenn man den Freibetrag als sonstiges Einkommen zugunsten des Unterhaltsberechtigten berücksichtigen würde. Der Freibetrag gem. § 33b EStG dürfe nicht bedarfserhöhend einkalkuliert werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der unterhaltsberechtigte Ehegatte keine Bereitschaft erkläre, den auf ihn entfallenden hälftigen Freibetrag auf den Pflichtigen gem. § 33b Abs. 5 S. 2 EStG zu übertragen.
Hinweis
Der Unterhaltspflichtige ist grundsätzlich gehalten, ihm zustehende steuerliche Vergünstigungen zur Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit in Anspruch zu nehmen. Bei einem Verstoß hiergegen kann ihm fiktiv ein höheres Einkommen zugerechnet werden.
Dies gilt allerdings nicht für den Steuerfreibetrag gem. § 33b EStG, der ebenso wie das staatliche Kindergeld nicht einkommenserhöhend aufseiten des Pflichtigen eingestellt werden darf. Dies gilt sowohl bei tatsächlicher Inanspruchnahme als auch für den Fall, dass die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Freibetrages nicht genutzt wird. Es kommt also nicht darauf an, ob der Unterhaltspflichtige von dem Freibetrag Gebrauch gemacht hat oder nicht. Eine fiktive Erhöhung seines Einkommens allein dadurch, dass er die Möglichkeit der Inanspruchnahme des steuerlichen Freibetrages gem. § 33b EStG nicht in Anspruch nimmt, erfolgt nicht.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 22.05.2007, 3 UF 338/06