1 Leitsatz
Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kommt eine sekundäre Darlegungslast dahingehend zu, zu erläutern, warum die Nachschüsse zutreffend sind.
2 Normenkette
§ 28 Abs. 2 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG über die Nachschüsse und Anpassung der Vorschüsse. Dagegen geht Wohnungseigentümer K vor. Er rügt, das Rechenwerk der Jahresabrechnung sei nicht nachvollziehbar.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Zwar sei ein Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht allein deshalb für ungültig zu erklären, wenn das zugrunde liegende Rechenwerk der Jahresabrechnung zunächst nicht nachvollziehbar sei. Lasse sich aus der Jahresabrechnung mithilfe der Anfangs- und Endbestände der Konten nicht nachvollziehen, ob alle im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben in der Abrechnung aufgeführt seien, stelle sich aber auch die ergebnisrelevante Frage, ob alle Ausgaben berücksichtigt worden seien oder Einnahmen fehlten. Da die Abrechnung für den durchschnittlichen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein müsse, genüge der klagende Wohnungseigentümer daher seiner Darlegungslast, wenn er darlege, dass die Jahresabrechnung nicht plausibel sei und daher Zweifel an der Richtigkeit der angepassten Vorschüsse oder Nachschüsse bestünden. Insoweit komme der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine sekundäre Darlegungslast dahingehend zu, zu erläutern, inwieweit die beschlossenen "Abrechnungsspitzen" gleichwohl zutreffend seien. Der Beschluss gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG sei in einer derartigen Konstellation für ungültig zu erklären, wenn der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Fall anfänglicher Nichtnachvollziehbarkeit bis zuletzt nicht die Darlegung gelinge, dass die Abrechnungsmängel keine Ergebnisrelevanz hätten oder gar feststehe, dass sich Mängel in den Einzelabrechnungen auf die Höhe der Nachschüsse oder die Anpassung der Vorschüsse ausgewirkt hätten.
Im Fall habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar ergänzenden Vortrag gehalten und die Gesamtabrechnung vorgelegt. Aus ihrem Vortrag ergebe sich allerdings, dass die Jahresabrechnung Defizite aufweise, die sich auf die "Abrechnungsspitzen" auswirkten. Während es sich bei der Gesamtabrechnung um eine Abrechnung, betreffend allein die im Jahr 2020 angefallenen Einnahmen und Ausgaben, handele, seien in den für den Beschluss über die Nachschüsse/Anpassung der Vorschüsse relevanten Einzelabrechnungen jedenfalls hinsichtlich der Positionen Allgemeinstrom, Heizung/Wasser, Wasser/Kanal und Kabelkosten Rechnungsabgrenzungen vorgenommen. Derlei Rechnungsabgrenzungen verböten sich aber – unter Ausnahme der Verteilung der Kosten nach der HeizkostenV – nach wie vor. Denn damit verliere die Jahresabrechnung ihre Funktion als reine Einnahmen- und Ausgabenrechnung für das betreffende Abrechnungsjahr. Insoweit bestehende Schwierigkeiten ließen sich gegebenenfalls über Sonderrücklagen teilweise lösen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht ein Wohnungseigentümer gegen den Nachschuss vor, der auf ihn nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG entfällt. Fraglich ist, welche Punkte den Beschluss als nicht ordnungsmäßig erscheinen lassen.
Die LG-Lösung
Das LG meint, der klagende Wohnungseigentümer müsse nur sagen, die Jahresabrechnung nicht zu verstehen und nicht für plausibel zu halten. Dann müsse die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer liefern. Es bestehe eine sekundäre Darlegungslast. Diese Sichtweise ist aber wohl nicht richtig. Denn dem Wohnungseigentümer ist es ohne Weiteres möglich, anhand der Verwaltungsunterlagen selbst die Mängel zu belegen. Das muss ein Mieter auch so tun. Welches Wissen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer haben soll, das der einzelne Wohnungseigentümer nicht hat, teilt die Kammer auch nicht mit.
Rechnungsabgrenzungen
Das LG hält an der h. M. fest, wonach außer bei den Kosten für Wärme und Warmwasser keine Rechnungsabgrenzungen zu bilden sind. Daran sollten sich die Verwaltungen – bestimmen die Wohnungseigentümer nichts Anderes – halten. So schwer es manchen bilanziell Geschulten auch schwer fällt: Jahresabrechnungen sind Kostenzuweisungen, keine Bilanzen.
Streitwert und Teil-Ungültigerklärung
Das LG hält an seiner Rechtsprechung fest, es komme für den Gebührenstreitwert auf die Abrechnungssumme an und der Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG sei nur insoweit für ungültig zu erklären, soweit es um die Kosten der Bewirtschaftung gehe.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Jede Verwaltung muss die Anforderungen der Rechtsprechung an eine Jahresabrechnung kennen. Dazu gehört es u. a., dass keine Rechnungsabgrenzungen zu bilden sind.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 9.3.2023, 2-13 S 68/22