Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressatenauswahl, abfallrechtliche Betreiber, Betreiberpflicht, fortwirkende Effektivität, Entsorgung, abfallrechtliche ErmessenFreigabeInsolvenzInsolvenzmasseInsolvenzverwalter. Abfallrechtliche Entsorgungspflicht des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Auch die nach Ergehen der Entsorgungsverfügung, aber vor Erlass des Widerspruchsbescheids erkärte Freigabe von Abfallgegenständen aus der Masse durch den Insolvenzverwalter befreit diesen grundsätzlich von der Entsorgungspflicht, wenn er den Betrieb der Anlage, aus der die Gegenstände stammen, nicht aufgenommen hatte.
Normenkette
BImSchG § 5 III 2; InsO §§ 148, 80 I; KrW-/AbfG § 11 I, §§ 21, 3 VI; VwGO § 114 I; VwVfG § 40
Verfahrensgang
VG Lüneburg (Entscheidung vom 30.04.2009; Aktenzeichen 2 B 40/09) |
Tatbestand
I.
Mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 26. März 2009 wiederherzustellen.
Mit dem Bescheid ist dem Antragsteller als Insolvenzverwalter der Firma „A. GmbH” aufgegeben worden, bis zum 15. Mai 2009 im Einzelnen aufgeführte gefährliche Abfälle (etwa Bleiglasuren und Altöl) durch eine Fachfirma entsorgen zu lassen und weitere im Einzelnen aufgeführte Abfälle (etwa Ziegel- und Bauschutt, Altholz und verunreinigtes Erdreich) selbst fachgerecht zu beseitigen, ferner, in zwei Bereichen des Betriebes von einem dazu akkreditierten Labor Staubproben entnehmen und diese auf Blei- sowie Bariumkarbonatgehalt untersuchen zu lassen sowie dafür die Auftragsbestätigungen und später die Untersuchungsergebnisse vorzulegen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte der Antragsgegner die Ersatzvornahme an.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seines Beschlusses ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der unverzögerten Umsetzung der angeordneten Maßnahmen durch den Antragsteller dessen Aufschubinteresse überwiege, weil sein Widerspruch gegen die Anordnungen voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Bei den zur Entsorgung angewiesenen Stoffen handele es sich ungeachtet einer eventuell neuen künftigen Verwendung um Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes – KrW-/AbfG –. Auch die angeordneten Beprobungen seien kurzfristig vor Durchführung der Entsorgung erforderlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsteller sei als Insolvenzverwalter Besitzer der Abfälle geworden und übe damit die tatsächliche Sachherrschaft aus, die ihn abfallrechtlich für die Massegegenstände verantwortlich mache. Daran ändere auch seine nach Zustellung des angefochtenen Bescheides erklärte Freigabe der zu entsorgenden Gegenstände aus der Insolvenzmasse nichts, weil die Entsorgungspflicht immissionsschutzrechtlich an den früheren Betrieb anknüpfe und damit jetzt als Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters fortwirke.
Mit seiner fristgerecht erhobenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller das Aussetzungsbegehren weiter und bestreitet seine vom Verwaltungsgericht angenommene Störereigenschaft. Er habe den insolventen Betrieb weder fortgeführt noch alle zu ihm gehörenden Gegenstände in Besitz genommen. Vielmehr sei er von der Gläubigerversammlung lediglich mit dem Abverkauf der noch vorhandenen Ziegel beauftragt worden. Das Grundstück sei nicht Bestandteil der Insolvenzmasse, weil es nicht dem insolventen Unternehmen gehöre. Als Adressaten der Verfügung kämen etwa die früheren Betreiber oder der Grundstückseigentümer in Betracht, ohne dass der Bescheid oder das Verwaltungsgericht dies erörterten. Die Insolvenzmasse, die bereits jetzt eine Unterdeckung aufweise, könnte die veranschlagten Beseitigungskosten ohne Eintritt der Masseunzulänglichkeit gar nicht aufbringen. Jedenfalls sei eine Verantwortlichkeit mit der vorsorglich erklärten Freigabe aus der Masse entfallen. Fortwirkende Betreiberpflichten habe er nicht, weil der Betrieb bereits vor Insolvenzeröffnung stillgelegt worden sei. Da die Abfälle überwiegend ungefährlich seien, liege auch in der Sache kein Interesse an einer sofortigen Vollziehung vor.
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Die zum Teil gefährlichen Abfälle müssten unverzüglich entsorgt werden. Der Antragsteller sei als Inhaber der tatsächlichen Gewalt Abfallbesitzer und zutreffend als entsorgungspflichtig ausgewählt worden.
Entscheidungsgründe
II.
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt, weil die in den §§ 114 S. 1, 121 Abs. 1 ZPO (§ 166 VwGO) normierten Voraussetzungen dafür – finanzielle Bedürftigkeit und hinreichende Aussicht der Rechtsverteidigung auf Erfolg – vorliegen.
Die von der Beschwerde dargelegten Gründe gebieten die Abänderung des angefochtenen Beschlusses, § 146 Abs. 4 S. 6, S. 3 VwGO. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers ist nach § 80 Abs. 5 S. 1, Abs. 2 Nr. 4 VwGO wiederherzustellen, weil der Bescheid des Antragsgegners vom 26. März 2009 erken...