Leitsatz (amtlich)
Nur bei Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten, die Anlass zu Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung geben, ist die Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen erforderlich. Allein der Umstand, dass der Erblasser sich im fortgeschrittenen Stadium einer Krebserkrankung befunden hat, stellt keinen solchen Anhaltspunkt dar.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Lichtenfels (Beschluss vom 02.03.2012; Aktenzeichen VI 276/09) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und zu 3) gegen den Beschluss des AG Lichtenfels - Nachlassgericht - vom 2.3.2012, Gz: VI 276/09, wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 1) und zu 3) tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 2).
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 400.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Am xx.5.2009, einen Tag vor seinem xx. Geburtstag, erlag der Erblasser A. in B. unverheiratet und ohne Kinder seiner Krebserkrankung.
In den letzten Jahren vor seinem Tod lebte der Erblasser mit der Beteiligten zu 2) zusammen. Am xx.5.2009, sieben Tage vor seinem Ableben, errichtete er in seinem Wohnanwesen in N. ein notarielles Testament (URz. xxx/2009, Notar C., xxx; Bl. 21-25 d.A.). In diesem setzte er die Beteiligte zu 2) zu seiner Alleinerbin sowie deren Tochter S. zur Ersatzerbin ein und schloss seine beiden Schwestern, die Beteiligten zu 1) und zu 3) (Beschwerdeführerinnen), sowie deren Abkömmlinge von jeder Erfolge aus.
Die Beteiligte zu 2) beantragte die Erteilung eines auf sie lautenden Erbscheins. Die Beschwerdeführerinnen halten das notarielle Testament hingegen für unwirksam, weil der Erblasser testierunfähig gewesen sei.
Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 2.3.2012 (Bl. 236 ff. d.A.) angekündigt, den von der Beteiligten zu 2) beantragten Erbschein erteilen zu wollen. Zweifel an der Wirksamkeit des formgültigen Testaments bestünden nicht. Das Gericht sei von der Testierfähigkeit des Erblassers überzeugt. Aus der Stellungnahme des beurkundenden Notars ergebe sich, dass die Beurkundung wegen der schweren Erkrankung des Erblassers in dessen Haus erfolgt sei. Der Erblasser sei voll informiert gewesen. In der ausführlichen Besprechung seien keinerlei Einschränkungen im Verständnis des Erblassers festzustellen gewesen. Die handschriftlich vorgenommenen inhaltlichen Abänderungen seien allesamt aufgrund des eingehenden Gesprächs mit dem Erblasser erfolgt. Vor diesem Hintergrund bestünden keine durchgreifenden Zweifel an der Testierfähigkeit, zumal die Beschwerdeführerinnen keine substantiierten Anknüpfungspunkte für eine Testierunfähigkeit vorgebracht hätten. Auf den Beschluss wird im Übrigen Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde machen die Beschwerdeführerinnen weiterhin die Unwirksamkeit des notariellen Testaments wegen Testierunfähigkeit des Erblassers geltend und bestreiten daher die Erbenstellung der Beteiligten zu 2). Vielmehr seien sie beide aufgrund gesetzlicher Erbfolge jeweils zu 1/2 Miterbinnen geworden. Das notarielle Testament gehe auf einen Auftrag der Beteiligten zu 2) zurück, die zur Erreichung von für sie positiven wirtschaftlichen Ergebnissen nicht vor unlauteren Mitteln zurückschrecke. Das Nachlassgericht habe es trotz entsprechenden Antrags unterlassen, den Hausarzt des Erblassers, Facharzt für Allgemeinmedizin D., zur Frage der Testierfähigkeit zu hören, und auch kein Sachverständigengutachten eingeholt.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11.3.2012 (Bl. 247 d.A.) nicht abgeholfen.
Der Senat hat eine schriftliche Stellungnahme des Hausarztes angefordert, die dieser am 26.4.2012 eingereicht hat (Bl. 251 d.A.). Auf den Inhalt der Stellungnahme wird verwiesen. Hierzu hatten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme, von der sie Gebrauch gemacht haben. Die Beschwerdeführerinnen verweisen darauf, dass der Erblasser laut der Stellungnahme stark geschwächt gewesen sei und sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe. Sie meinen, er habe in diesem Zustand die Tragweite seines Tuns nicht mehr übersehen und sich dem bestimmenden Einfluss der Beteiligten zu 2) nicht mehr widersetzen können. Sie regen die Beiziehung der bei der K. geführten Krankenakten des Erblassers sowie erneut die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Ergänzend wird auf den Stellungnahmeschriftsatz vom 22.5.2012 Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, nachdem die Beschwerdeführerinnen durch die angekündigte Erbscheinserteilung beschwert wären, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere binnen der Monatsfrist gem. § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 2 FamFG eingelegt worden.
Sie ist jedoch unbegründet. Wie das Nachlassgericht ist auch der Senat nach Durchführung der ergänzenden Beweisaufnahme von der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testamen...