Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei "Altfällen" bei der vorgenommenen Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen hälftigen Geschäftsgebühr hat es bei der Verfahrensgebühr zu bleiben

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Beschluss vom 08.01.2010)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 22.06.2010; Aktenzeichen VI ZB 10/10)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bayreuth vom 8.1.2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf 195,43 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien haben sich über die Schadensersatzforderung des Klägers verglichen und im Vergleich vom 20.10.2010 (Bl. 34 d.A.) auf eine Kostenverteilung von 2/3 zu 1/3 zum Nachteil des Klägers geeinigt.

Der Kläger, der schon vorgerichtlich durch die Prozessbevollmächtigten vertreten worden war, hat Rechtsanwaltsgebühren und -auslagen i.H.v. 3.180,87 EUR zum Kostenausgleich angemeldet (Bl. 43. d.A.).

Der Rechtspfleger beim LG Bayreuth hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8.1.2010 (unter Berücksichtigung von Gerichtskosten i.H.v. 340 EUR) die von dem Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.322,80 EUR festgesetzt (Bl. 56 d.A.). Dabei hat er die entstandene (vorgerichtliche) Geschäftsgebühr zur Hälfte (nämlich i.H.v. 492,70 EUR zzgl. 19 % MWSt. = 586,31 EUR) auf die Verfahrensgebühr angerechnet (Vorbemerkung 3 Abs. 4 von Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses - Anlage 1 - zum RVG).

Der Kläger hat gegen den seinen Bevollmächtigten am 13.1.2010 zugestellten Beschluss am 18.1.2010 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 60 f. d.A.). Er wendet sich gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Hinblick auf § 15a RVG. Diese Vorschrift sei - unabhängig vom Zeitpunkt der Auftragserteilung - anwendbar, da sie nicht die Berechnung der Vergütung des Rechtsanwalts regele, sondern das Verhältnis zum erstattungspflichtigen Prozessgegner betreffe. Die Übergangsregelung des § 60 RVG greife daher nicht ein.

Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 8.2.2010, Bl. 67 d.A.).

Mit Beschluss vom 22.2.2010 ist das Beschwerdeverfahren gem. § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem Senat übertragen worden.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH wird die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet und nicht umgekehrt (grundlegend BGH, Urt. v. 7.3.2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 und - in Auseinandersetzung mit gegenteiligen Ansichten - Beschl. v. 22.1.2008 - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323; v. 30.4.2008 - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095; v. 25.9.2008 - IX ZR 133/07; v. 2.10.2008 - I ZB 30/08, WRP 2009, 75). Nach der Rechtsprechung des VIII., des III. und des I. Zivilsenats des BGH ist diese Anrechnungsregel auch im Außenverhältnis zum Prozessgegner in der Kostenfestsetzung anzuwenden (BGH NJW 2008, 1323; NJW-RR 2008, 1095; WRP 2009, 75). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung entsteht die Verfahrensgebühr nur in der um den Anrechnungsbetrag verminderten Höhe. Danach erweist die Berechnung des Rechtspflegers sich als richtig. Wegen der Übergangsregelung in § 60 Abs. 1 RVG kommt ein Rückgriff auf den erst nachträglich durch Art. 7 Abs. 4 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (BGBl. I, 2449) in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügten § 15a RVG nicht in Betracht.

Zwar hat der II. Zivilsenat des BGH die Auffassung vertreten, die Anrechnungsregel in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV wirke sich im Verhältnis zu Dritten, also namentlich im Kostenfestsetzungsverfahren, grundsätzlich nicht aus. Das Verfahren nach § 132 Abs. 2, 3 GVG zu beschreiten hat der II. Zivilsenat nicht für erforderlich erachtet, weil seiner Meinung nach der Gesetzgeber das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bezüglich der Anrechnung nicht geändert, sondern lediglich die auch nach Ansicht des Gesetzgebers vor Einfügung von § 15a RVG bestehende Gesetzeslage in dem Sinne klargestellt hat, dass sich die Anrechnung gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht auswirken soll (Beschl. v. 2.9.2009 - II ZB 35/07 Tz. 8).

Der erkennende Senat hat durchgreifende Zweifel, dieser Auffassung zu folgen. Diese Zweifel stützen sich auf die Entscheidung des X. Zivilsenates des BGH vom 29.9.2009 (a.a.O.), in der es unter Tz. 23 wie folgt heißt:

"Der II. Zivilsenat (des BGH) mag zwar darauf verweisen können, dass ausweislich einer Pressemitteilung das Bundesministerium der Justiz die Meinung geäußert hat, durch § 15a RVG werde klargestellt, dass sich die Anrechnung im Verhältnis zu Dritten nicht auswirke. Die Presserklärung des zuständigen Ministeriums lässt jedoch keine tragfähigen Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers im Sinne der historischen Auslegungsmethode zu. Dass der Gesetzgeber di...

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