Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Schadensersatz wegen angeblicher Abschaltvorrichtungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet. (Rn. 18)
2. Bei Implementierung des Thermofensters erfolgt die Abgasreinigung im Grundsatz auf dem Prüfstand und im realen Betrieb in gleicher Weise. Es liegt damit - im "Thermofenster" als solchem - noch kein System der Prüfstandserkennung vor. (Rn. 23 - 24)
3. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters fehlt es sowohl an einem besonders verwerflichen Verhalten des Herstellers als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. (Rn. 24)
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Urteil vom 01.09.2022; Aktenzeichen 24 O 12/22) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 01.09.2022, Az. 24 O 12/22, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 24.02.2023.
Gründe
1. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gem. § 540 ZPO auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Lediglich ergänzend bzw. erläuternd ist auszuführen:
Die Klagepartei verlangt von der Beklagten als Fahrzeugherstellerin Schadensersatz wegen eines PKW-Kaufs.
Die Klagepartei erwarb am 16.09.2019 von einem nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein bei der Beklagten hergestelltes Gebrauchtfahrzeug Audi A6 Quattro 3.0, zu einem Kaufpreis von 18.600,00 Euro. Die Laufleistung des Fahrzeugs betrug 130.500 km zum Zeitpunkt des Erwerbs. Das Fahrzeug verfügt über einen von der Beklagten hergestellten Motor EA 896 Gen2 Euro 5 mit einem sogenannten "Thermofenster". Das Fahrzeug unterlag keinem Rückruf seitens des KBA.
Die Klagepartei hat erstinstanzlich vorgetragen, dass in dem Fahrzeug mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. Die Beklagte verwende ein unzulässiges "Thermofenster", eine unzulässige Lenkwinkelerkennung und eine Akustikfunktion. Die Klagepartei verlange daher den merkantilen Minderwert des Fahrzeugs, der mindestens 25% des Kaufpreises, mithin 4.650,00 EUR betrage.
Die Beklagte ist der Klage mit der Behauptung entgegengetreten, dass in dem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut seien. Für eine Manipulationssoftware habe die Klagepartei keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht. Das "Thermofenster" sei als Maßnahme zum Schutz des Motors gerechtfertigt. Dessen Verwendung sei nicht sittenwidrig. Das KBA habe ausdrücklich in der amtlichen Auskunft vom 16.11.2020 (Anlage B1) bestätigt. Ein sittenwidriges Handeln sei nicht gegeben, unabhängig davon liege kein Schaden vor.
2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch aus § 826 BGB zustehe. Der Einbau eines "Thermofensters" begründe vorliegend nicht den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung. Im Übrigen fehle es an jeglichen Anhaltspunkten für das Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen.
Auch aus weiteren Anspruchsgrundlagen könne die Klagepartei keinen Anspruch herleiten.
3. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klagepartei ihre erstinstanzlichen Anträge unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter.
Die Beklagte verwende ein "Thermofenster", das eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2000 darstelle. Diese Norm sei nach Auffassung des Generalanwalts beim EuGH Rantos drittschützend. Dazu verwende die Beklagte die bereits erstinstanzlich vorgetragene Akustikfunktion als Prüfstandserkennung. Dies werde auch durch die Testergebnisse der DUH belegt, wonach der streitgegenständliche Fahrzeugtyp die Grenzwerte im Realbetrieb um ein Vielfaches übersteige. Eine weitere unzulässige Zykluserkennung werde über den Lenkwinkel bewirkt.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Berufung der Klagepartei die Erfolgsaussicht fehlt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung des Klägers erweist sich als unbegründet, weil ihm keine Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Auf die zutreffenden Gründe wird Bezug genommen. Zu den Berufungsangriffen sind lediglich folgende Anmerkungen veranlasst:
1. Ein Anspruch der Klagepartei scheitert bereits daran, dass ein merkantiler Minderwert nach dem Vortrag der Klagepartei mit "Null" zu schätzen ist (§ 287 ZPO).
Ein Erfahrungssatz, wonach bei Vorliegen vom KBA nicht beanstandeter Abschalteinrichtungen einem nicht von einem Rückruf betroffenen Fahrzeug ein merkantiler Minderwe...