Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist als Nießbrauch an einem Recht nach § 1068 Abs. 1 BGB zulässig.
2. Der Nießbrauch begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Inhaber des Rechts und dem Nießbraucher. Verletzt der Inhaber des Rechts schuldhaft eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis, kann dies einen Schadensersatzanspruch des Nießbrauchers nach § 280 Abs. 1 BGB begründen (Fortführung von OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.09.1998, 3 Wx 209/98, NZG 1999, 26 Rn. 16; OLG München, Beschluss vom 08.08.2016, 31 Wx 204/16, NZG 2016, 1064 Rn. 22; OLG Hamm, Beschluss vom 13.11.1970, 15 W 280/70, OLGZ 1971, 226, 229).
3. Eine Pflichtverletzung des Rechteinhabers kann anzunehmen sein, wenn dieser ohne zuvor die Zustimmung des Nießbrauchers einzuholen, in der Gesellschafterversammlung einem Gesellschafterbeschluss zustimmt, der wirtschaftlich einem Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft gleichkommt.
4. Beim Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen begründet § 1071 Abs. 1 Satz 1 BGB jedoch kein Vetorecht des Nießbrauchers gegen ihn beeinträchtigende Beschlüsse. Der Nießbraucher hat daher Beschlüsse der Gesellschafter, die ohne seine an sich erforderliche Zustimmung ergangen sind, entschädigungslos hinzunehmen, wenn diese von der Mehrheit der Gesellschafter ohne oder gegen die Stimme des Rechteinhabers gefasst werden konnten. Die Pflichtverletzung des Rechteinhabers war dann nicht kausal für den Schaden des Nießbrauchers.
Normenkette
BGB § 1068 Abs. 1, § 1071 Abs. 1 S. 1, § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Würzburg (Urteil vom 21.12.2020; Aktenzeichen 94 O 1124/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 21.12.2020 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14.01.2021, Aktenzeichen (jeweils) 94 O 1124/18, abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge sowie die Kosten seiner zurückgenommenen Anschlussberufung zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen der Beeinträchtigung eines Nießbrauchsrechts an einem Gesellschaftsanteil einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
1. Mit Gesellschaftsvertrag vom 02.12.1982 (Anlage B1) hatten die Gesellschafter W. Y. und Dr. R. Y. die "xxxx GbR" (im Folgenden nur GbR) gegründet, deren einziges Gesellschaftsvermögen das Grundstück xxxxxx Straße xx, xxxxxx, war. In dem Vertrag vom 02.12.1982 war unter anderem vereinbart:
§ 2 Zweck
Zweck der GbR ist die Verwaltung von dem den Gesellschaftern bereits gehörenden Grundbesitz, die Errichtung gewerblich genutzter Räume auf diesem Grundbesitz und deren Vermietung und Verpachtung.
§ 8 Abstimmungen
[...] Die Abstimmung erfolgt nach den Beteiligungsprozentsätzen an der GbR. [...]
An der GbR waren der Gesellschafter W. Y. mit 5 % und der Gesellschafter Dr. R. Y. mit 95 % beteiligt. Am 23.12.1982 übertrug der Gesellschafter Dr. R. Y. an O. Z. und M. Z. jeweils 25 % der Gesellschaftsanteile (vgl. Anlage K 1). Mit Wirkung zum 01.01.1987 übertrug der Gesellschafter O. Z. 20 % der Gesellschaftsanteile auf die Beklagte. Mit notarieller Urkunde vom 29.11.1986 wurde mit Blick darauf vereinbart (Anlage K 3, Seite 5) :
"Fräulein C. Z. räumt hiermit Herrn M. Z. auf dessen ganze ferne Lebensdauer den unentgeltlichen
Nießbrauch
an dem erworbenen Gesellschaftsanteil zu 20 % nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ein, mit der Besonderheit, dass der Nießbraucher auch die während des Nießbrauchs fällig werdenden Tilgungsleistungen auf die derzeit im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte und die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen zu tragen hat.
Herr M. Z. tritt als Nießbraucher für die Dauer des Nießbrauchs anstelle der Gesellschafterin C. Z. in die volle Gesellschafterstellung ein. Er übernimmt alle Rechte und Pflichten, die mit dem Gesellschaftsanteil verbunden sind, wie ein Gesellschafter, soweit sich nicht aus § 8 der Satzung Einschränkungen ergeben.
Während der Dauer des Nießbrauchs sind Herr M. Z. folglich auch die Einkünfte aus dem Gesellschaftsanteil die sich bei der steuerlichen Gewinnermittlung ergeben zuzurechnen.
Während der Dauer des Nießbrauchs bleibt C. Z. Gesellschafterin, d.h. eine Veräußerung kann nur durch C. Z. erfolgen.
Fräulein C. Z. und Herr M. Z. sind einig, dass der Nießbrauch entsteht.
Handschriftlich ist insoweit ergänzt:
Vorstehender Satz wird gestrichen. C. Z. erwirbt somit den mit dem Nießbrauch belasteten Anteil.
Herr O. Z. erteilt Herrn M. Z. über den Tod hinaus Vollmacht, die vorstehenden Bedingungen zu ändern, um das wirtschaftliche Ziel der ...