Entscheidungsstichwort (Thema)

Höferecht: Abfindungsansprüche weichender Erben nach vertraglicher Hofübergabe einer landwirtschaftlichen Besitzung bei aus tatsächlichen Gründen fehlender Hofeigenschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Werden zwei landwirtschaftliche Besitzungen im Wege vorweggenommener Hoferbfolge durch Übergabevertrag mit Abfindungsregelung für die weichenden Geschwister mit der Vorstellung übergeben, es handele sich um Höfe im Sinne der HöfeO, obwohl eine der beiden Besitzungen aus tatsächlichen Gründen (Fehlen der wirtschaftlichen Betriebseinheit wegen Verfalls der Hofstelle und langjähriger parzellierter Verpachtung) nicht mehr unter die HöfeO fällt, kommt eine Anpassung der vertraglichen Abfindungsregelung nach den Regeln über das Fehlen der Geschäftsgrundlage in Betracht, aus der sich vertragliche Nachabfindungsansprüche entsprechend § 13 HöfeO ergeben können.

 

Normenkette

BGB § 313; HöfeO §§ 1, 12-13, 17

 

Verfahrensgang

AG Wolfsburg (Beschluss vom 17.10.2010)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Landwirtschaftsgericht - Wolfsburg vom 17.12.2010 abgeändert und dem Antragsgegner aufgegeben, bezogen auf das Grundstücksgeschäft gemäß Kaufvertrag vom 13.8.2009 (UR-Nr .../09 des Notars P), die landwirtschaftliche Besitzung J Blatt X betreffend, zu folgenden Fragen Auskunft zu erteilen:

1. Ist eine Ersatzbeschaffung für das mit Vertrag vom 13.8.2009 veräußerte Grundstück erfolgt? In welcher Größe mit welcher Funktion erfolgte ggf. die Ersatzbeschaffung?

2. Wie hoch war der Einheitswert der landwirtschaftlichen Besitzung J Blatt X vor und nach dem Abverkauf durch Vertrag vom 13.8.2009?

3. Welche öffentlichen Abgaben waren vom Antragsgegner aufgrund des Vertrages vom 13.8.2009 zu tragen?

4. Beruhte der Erlös des Vertrages vom 13.8.2009 oder ein Teil davon bei wirtschaftlicher Betrachtung auf Leistungen des Antragsgegners?

Der Antragsgegner trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Geschäftswert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Geschwister. Mit notariellem Vertrag vom 15.6.1995 (UR-Nr.: 916/95 des Notars R) haben die Eltern der Parteien dem Antragsgegner ihren jeweiligen landwirtschaftlichen Grundbesitz übertragen, und zwar der Vater den im Grundbuch des AG Wolfsburg von H Blatt Y eingetragenen Hof und die Mutter den im Grundbuch des AG Wolfsburg von J Bl. X eingetragenen "Hof". Gleichzeitig hat sich der Antragsgegner in § 11 des Vertrags verpflichtet, seinen beiden Schwestern, also auch der Antragstellerin, jeweils 20.000 DM zu zahlen, sofern sie sich gegen Zahlung dieses Betrags mit Rücksicht auf die Hofübergabe für abgefunden erklären, "jedoch bei Aufrechterhaltung der Ansprüche nach § 13 HöfeO".

Während die landwirtschaftliche Besitzung des Vaters in H unstreitig ein Hof im Sinne der HöfeO war und ist, handelte es sich jedoch unstreitig bei der übertragenen landwirtschaftlichen Besitzung der Mutter schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mehr um einen Hof i.S.d. Höfeordnung. Allerdings gingen alle Beteiligten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabevertrags davon aus, dass auch der mit Hofvermerk versehene Besitz der Mutter einen Hof im Sinne der HöfeO darstellte.

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2005 kam es zwischen dem Antragsgegner und der weiteren Schwester der Parteien, Frau C, zum Streit über die Hofeigenschaft der Besitzung in J, der parallel zum Rechtsstreit über die Pflichtteilsansprüche von Frau C beim LG Braunschweig zum Hoffeststellungsverfahren beim AG Wolfsburg 4 Lw 35/08 führte. Das AG Wolfsburg hat dort mit Beschluss vom 3.12.2008 festgestellt, dass die Besitzung in J am 29.11.1996 kein Hof im Sinne der HöfeO war. Im Beschwerdeverfahren 2 W 28/09 haben die dortigen Beteiligten am 1.3.2010 einen Vergleich geschlossen, wonach sich der Antragsgegner zu einer Zahlung von 65.000 EUR an Frau C zur Erledigung aller etwaigen höfe- und erbrechtlichen Ansprüche nach der Mutter der Parteien verpflichtete und die Beschwerde zurücknahm.

Mit Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 8.5.2008 (Anlage K 3 Bl. 48) machte die Antragsstellerin gegenüber dem Antragsgegner die Abfindung gem. § 11 des Übergabevertrags geltend und erklärte sich mit Rücksicht auf die Hofübergabe unter Aufrechterhaltung der Ansprüche nach § 13 HöfeO für abgefunden. Der Antragsgegner hat die Zahlung der Abfindung i.H.v. 20.000 DM (= 10.225,87 EUR) in Raten aufgenommen.

Mit Vertrag vom 13.8.2009 (UR-Nr.: 647/09 des Notars P) veräußerte der Antragsgegner Teile des Grundstücks mit der verfallenen Hofstelle in J für 290.000 EUR. Die Antragstellerin macht deshalb einen Auskunftsanspruch nach § 13 HöfeO geltend. Sie ist der Auffassung, dass ihr zumindest auf Grund des Übergabevertrags Ansprüche entsprechend § 13 HöfeO zustünden.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Ansprüche bestünden nicht, weil § 13 HöfeO nicht anwendbar sei. Auch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergäben sich derartige Ansprüche nicht.

Wegen der weiter...

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