Entscheidungsstichwort (Thema)
Betäubungsmittelfahrt i.S. des § 24a StVG, Objektiver Tatbestand und innere Tatseite, Verhängung eines [Regel-] Fahrverbots, Zwischenzeitliche Entziehung der Fahrerlaubnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine verfassungskonforme Anwendung erfordert, dass eine Wirkung im Sinne des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG nur angenommen werden kann, wenn die betreffende Substanz in einer Konzentration nachweisbar ist, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt und damit die in § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung rechtfertigt, was dann der Fall ist, wenn im Blut des Betroffenen eine THC-Konzentration von 1 ng/ml nachgewiesen wird.
2. a) Zwar kann es an der Erkennbarkeit der Wirkung eines genossenen Rauschmittels im Sinne einer unbewussten oder bewussten Fahrlässigkeit fehlen, wenn zwischen der Einnahme des Rauschmittels und der Begehung der Tat eine längere Zeit vergangen ist.
b) Bei einer 44fachen Überschreitung der für eine THC-Beeinflussung festgesetzten Erheblichkeitsschwelle von 1 ng/ml ist eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit sowie eine bewusste Fahrlässigkeit bei der Begehung der Tat auch dann anzunehmen, wenn der Betroffene zwischen Cannabiskonsum und Führen des Pkw eine Nacht geschlafen hatte.
3. Wird gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG eine Geldbuße festgesetzt, so ist in der Regel auch ein Fahrverbot anzuordnen (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StVG). Ein Absehen vom Fahrverbot kommt nur in Betracht, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweisen fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist oder die Anordnung eine Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten würde
4. Erfolgte zwischenzeitlich die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Straßenverkehrsbehörde hindert dies die Verhängung eines Fahrverbotes nicht; sie hat nur für die Frage Bedeutung, wann das verhängte Fahrverbot wirksam wird.
Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Urteil vom 29.09.2005) |
Tenor
Beschluss
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als offensichtlich unbegründet verworfen, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat ( § 79 OWiG, §§ 349 Abs. 2, 473 StPO),
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat in ihrer Stellungnahme vom 16.01.2006 zur Rechtsbeschwerde ausgeführt:
“Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 341 Abs. 1 StPO) und begründet (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, §§ 344, 345 StPO) und damit zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.
I. Verfahrensrüge
Der Betroffene hat zwar die Verletzung formellen Rechts gerügt, aber keine Verfahrensrüge ausgeführt.
II. Sachrüge
In sachlich-rechtlicher Hinsicht lässt das angefochtene Urteil keine den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen tragen sowohl den Schuldspruch wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 2 und 3 StVG als auch den Rechtsfolgenausspruch.
Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene am 03.04.2005 mit einem PKW die Weserstraße in Bremerhaven befuhr, obwohl er am Vorabend so viel Cannabiskraut geraucht hatte, dass sein Blut an Cannabisinhaltsstoffen noch 0,0447 ml Tetrahydocannabinol (THC), 0,037 ml THC-OH und 0,1236 ml THC-Carbonsäure enthielt.
Eine verfassungskonforme Anwendung erfordert, dass eine Wirkung im Sinne des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG nur angenommen werden kann, wenn die betreffende Substanz in einer Konzentration nachweisbar ist, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt und damit die in § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung rechtfertigt, was dann der Fall ist, wenn im Blut des Betroffenen eine THC-Konzentration von 1 ng/ml nachgewiesen wird (BVerfG StV 2005, 383, 385). Dieser Grenzwert war beim Betroffenen weit überschritten. Da 1.000 ng (Nanogramm) 1 (Mikrogramm) ergeben, sind 0,0447 = 44,7 ng. Der Betroffene wendet sich zwar gegen die Richtigkeit der Rechnung des Amtsgerichts, der vom Bundesverfassungsgericht für die Anwendbarkeit des § 24a Abs. 2 aufgestellte Grenzwert von 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blut sei um etwa das 44-fache überschritten; allerdings ohne den behaupteten mathematischen Fehler zu konkretisieren. Die Rechnung des Amtsgerichts ist richtig.
Bei einer 44-fachen Überschreitung der vom Bundesverfassungsgericht für eine THC-Beeinflussung festgesetzten Erheblichkeitsschwelle war der Betroffene ungeachtet dessen, dass er zwischen Cannabiskonsum und Führen des PKW's eine Nacht geschlafen hatte, nicht ausschließbar in seiner Fähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen beeinträchtigt. Eine sichere Feststellung einer Beeinträchtigung der Fahrsicherheit erfordert das objektive Tatbestandsmerkmal des § 24a Abs. 2 StVG “unter der Wirkung" nicht (OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168). Nach der Vorstellung des Ge...