Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Fahrlässigkeit beim Führen eines Kraftfahrzeugs nach vorausgegangenem Cannabis-Konsum. Ordnungswidrigkeit. Kraftfahrer. Cannabiskonsum. Erreichen des analytischen Grenzwertes. Fahrlässigkeit. objektive Sorgfaltspflichtverletzung. subjektiver Sorgfaltsverstoß
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Konsument von Cannabis darf sich als Kraftfahrer erst in den Straßenverkehr begeben, wenn er sicherstellen kann, den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum nicht mehr zu erreichen. Das erfordert ein ausreichendes - gegebenenfalls mehrtägiges - Warten zwischen letztem Cannabiskonsum und Fahrtantritt.
2. Im Regelfall besteht für den Tatrichter kein Anlass an der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung und dem subjektiven Sorgfaltsverstoß zu zweifeln, wenn der analytische Grenzwert nach Beendigung der Fahrt erreicht ist.
Normenkette
StVG § 24a Abs. 2-3
Verfahrensgang
AG Bremen (Entscheidung vom 15.02.2013; Aktenzeichen 86 OWi 640 Js 51885/12 (550/12)) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 15.02.2013 wird im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass das Fahrverbot entfällt.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird als offensichtlich unbegründet verworfen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Rechtsbeschwerdegericht werden dem Betroffenen auferlegt. Allerdings wird die Gebühr um ein Viertel ermäßigt. Die dem Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zu einem Viertel der Staatskasse auferlegt.
Gründe
A.
Das Amtsgericht Bremen hat den Betroffenen mit Urteil vom 15.02.2013 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit (Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis) zu einer Geldbuße von 500,00 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde vom 19.02.2013. Er erhebt neben einer Verfahrensrüge die allgemeine Sachrüge und begründet sie unter anderem damit, dass der Betroffene nicht fahrlässig gehandelt habe. Der Sachverständige habe genau den Grenzwert von 1,0 ng/ml THC ermittelt. Die Annahme des Gerichts, der Betroffene sei sich der Möglichkeit der fortdauernden Cannabis-Wirkung bewusst gewesen, sei nicht durch Tatsachen belegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bremen mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bremen zurückzuverweisen.
Der Bußgeldsenat - Einzelrichter - hat die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 15.02.2013 mit Beschluss vom 03.06.2014 gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
B.
I. Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 OWiG, 341 StPO) und begründete (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig.
II. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings im Wesentlichen unbegründet. Sie hat keinen Erfolg, soweit der Betroffene die Verletzung formellen Rechts rügt (1.). Auch die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der erhobenen Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (2.). Allein der Rechtsfolgenausspruch war dahingehend abzuändern, dass das angeordnete Fahrverbot entfällt (3.).
1. Die vom Betroffenen vorgebrachten Rügen, mit denen er sich gegen die Ablehnung von zwei Beweisanträgen und die Verwertung eines Vernehmungsprotokolls wendet, sind unzulässig. Sie genügen nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
a. Die durch den Verteidiger erhobene Verfahrensrüge der Ablehnung eines am 09.01.2013 gestellten Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Tatsache, dass die in dem Bericht des PK K. vom 27.04.2012 aufgeführten sog. Auffälligkeiten bei einem THC-Wert von 1,0 ng/ml auf andere Ursachen als Cannabiswirkung zurückzuführen sind, ist unzulässig. Aufgrund von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Erhebung einer Verfahrensrüge die auf die jeweilige Angriffsrichtung bezogenen Verfahrenstatsachen vollständig und zutreffend so vorzutragen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung die einzelnen Rügen darauf überprüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegen würde, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr, BGHSt 29, 203; 40, 218, 240; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 23.09.2013, 2 SsBs 63/13; BeckOK-OWiG/Bär, Stand 15.04.2013, § 79 Rn. 102). Einer wörtlichen Wiedergabe aller Einzelheiten bedarf es zwar grundsätzlich nicht, wohl aber einer geschlossenen und vollständigen Darstellung des gestellten Antrags und der darauf ergangenen Entscheidung (KK-OWiG/Senge, 3. Auflage 2006, § 79 Rn. 88 f m.w.N.).
Ist ein Beschwerdeführer der Ansicht, der Tatrichter habe einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt, so steht es ihm grundsätzlich frei, entweder die Verletzung d...