Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Darlegung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und zur Haftung des Motoren-herstellers für die Richtigkeit einer vom Fahrzeughersteller erteilten Übereinstimmungsbescheinigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sonderpflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vorgaben konvergierende Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, trifft nur den Fahrzeughersteller, nicht den Motorhersteller. Der Motorhersteller kann weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem Fahrzeughersteller sein, weil ihm die hierzu erforderliche Sonderpflicht nicht obliegt (Anschluss an BGH, Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1119/22 -, Rn. 20, juris; Urteil vom 11. September 2023 - VIa ZR 1689/22 -, Rn. 10, juris).
2. Eine auch bei Sonderdelikten mögliche Beihilfe des Motorherstellers im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers setzt nicht nur voraus, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers. Die vorsätzliche Förderung einer fahrlässigen Tat erfüllt dagegen die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB nicht (Anschluss an BGH, Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1119/22 -, Rn. 21, juris; Urteil vom 6. November 2023 - VIa ZR 535/21 -, Rn. 17, juris; Urteil vom 11. September 2023 - VIa ZR 1689/22 -, Rn. 11, juris).
3. Eine solche vorsätzliche Haupttat des Fahrzeugherstellers muss der Erwerber, der den Motorenhersteller in Anspruch nimmt, darlegen und beweisen, ohne dass den Motorenhersteller insoweit eine sekundäre Darlegungslast zur Schuldhaftigkeit eines Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV träfe (Anschluss an BGH, Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1119/22 -, Rn. 23, juris).
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, §§ 826, 830 Abs. 1; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 1 O 549/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 02.06.2021 - Az. 1 O 549/20 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
3. Das Urteil des Landgerichts Bremen vom 02.06.2021 - Az. 1 O 549/20 - sowie dieses Urteil des Senats sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert der Berufung wird auf 17.022,80 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen der behaupteten Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen.
Der Kläger erwarb am 23.02.2015 einen Skoda Oktavia 1,6 TDI Combi, 77 Kw, mit einem Kilometerstand von 10 km zum Kaufpreis von 25.610 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 (Euro 5) ausgestattet.
Hinsichtlich des Tatbestandes und des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz im Übrigen einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bremen vom 02.06.2021 Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Mit der Klage begehrte der Kläger in 1. Instanz im wesentlichen Erstattung seiner Aufwendungen für den Erwerb des Fahrzeuges gemindert um einen Abzug wegen gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übertragung des Fahrzeuges an die Beklagte, hilfsweise die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen des Einbaus unzulässige Abschalteinrichtungen in das Fahrzeug des Klägers.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe nicht, da der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet sei. Zwar reichten Anhaltspunkte für unzulässige Abschalteinrichtungen aus, wenn diese in vergleichbaren Fahrzeugtypen vorlegen. Soweit der Kläger behaupte, in dem Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen in Gestalt einer Zykluserkennung (Fahrkurve bzw. Akustikfunktion) eines Thermofensters und einer Manipulation des OBD-Systems verbaut, so handele es sich um nicht berücksichtigungsfähige Behauptungen des Klägers ins Blaue hinein. Es fehlten jegliche greifbare Anhaltspunkte für das tatsächliche Vorliegen der behaupteten Abschalteinrichtungen.
Allein der Verweis auf Medienberichterstattungen sei nicht geeignet, ein solches Indiz zu begründen, da unklar bleibe, ob die darin erhobenen Vorwürfe richtig seien oder nicht. Auch der Verweis auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen reiche nicht aus. Schließlich lasse ein Rückruf des VW Busses T6 keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung erkennen. Zudem habe das KBA bisher kein einziges Fahrzeug mit einem Motor der Baugruppe EA 288 zurückgerufen. Die Behauptung, das KBA sei nicht in der Lage, die Abschalteinrichtung zu erkennen, bleibe reine Spekulation. Hinzu komme, dass das Kraftfahrtbundesamt ausweislich des Berichtes vom 22.04.2016 Fahrzeuge der Baureihe EA 288 (Euro 6) ausführlich untersucht, aber ...