Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche eines Flugpassagiers gegen den Luftfrachtführer bei einer Flugverspätung und einem deswegen verpassten separat gebuchten Anschlussflug
Leitsatz (amtlich)
1. Der Schadensersatz aufgrund der Verspätung einer Luftbeförderung nach Art. 19 S. 1 MontrÜbk umfasst, wenn aufgrund der Verspätung ein Weiterflug verpasst wird, auch die Kosten für die Buchung eines Ersatzflugs sowie erforderlich gewordene Hotelkosten.
2. Dass der Weiterflug separat gebucht wurde und dass der Luftfrachtführer nicht darum wusste, dass der Passagier einen Weiterflug zu erreichen hatte, steht nach Art. 19 S. 2 MontrÜbk einer Haftung des Luftfrachtführers für die durch die Verspätung des ersten Flugs verursachten Kosten der Buchung eines Ersatzflugs für den verpassten Weiterflug nur dann entgegen, wenn bei einer entsprechenden Information entweder der Luftfrachtführer hätte ermöglichen können, dass der Passagier den Weiterflug noch hätte erreichen können, oder stattdessen der Luftfrachtführer selber für den Weiterflug des Passagiers hätte Sorge tragen und damit die Kosten eines Ersatzflugs hätte vermeiden können.
3. In Fällen von separat und bei verschiedenen Fluggesellschaften gebuchten zusammengesetzten Flügen ist für die Entschädigung wegen einer Ankunftsverspätung nach Art. 7 Fluggastrechte-VO bei einer Verspätung des ersten Flugs und einem dadurch verursachten Verpassen des Anschlussflugs auf die Verspätung am Zielort des ersten Flugs abzustellen, nicht auf die Ankunftsverspätung am Endziel.
4. 4. Die Entschädigung wegen einer Ankunftsverspätung nach Art. 7 Fluggastrechte-VO ist nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 Fluggastrechte-VO auch auf den Schadensersatz aufgrund der Verspätung einer Luftbeförderung nach Art. 19 S. 1 MontrÜbk anzurechnen.
Normenkette
FluggastrechteVO Art. 7, 12 Abs. 1 S. 2; MontrealÜbk Art. 19
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 1213/18) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22.07.2020 (Az. 4 O 1213/18) abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Bremen vom 30.10.2018 wird aufrechterhalten, soweit die Beklagte darin verurteilt wurde, an die Kläger als Gesamtgläubiger einen Betrag von EUR 1.632,61 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz tragen die Kläger zu jeweils 35 %, die Beklagte zu 30 %, die Kosten des Rechtsstreits in 2. Instanz tragen die Kläger zu jeweils 21 %, die Beklagte zu 58 %.
III. Dieses Urteil sowie das Urteil des Landgerichts Bremen vom 22.07.2020 sind vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gegenstandswert der Berufung wird auf EUR 2.832,61 festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte, ein Fluglinienunternehmen, auf Schadensersatz aufgrund einer Flugverspätung in Anspruch.
Die Kläger unternahmen Ende 2017 eine Flugreise mit Umsteigeverbindung von Bremen über Paris nach Martinique (Flugstrecke insgesamt mehr als 3.500 km) und buchten hierzu die folgenden Flugverbindungen: Buchung am 14.07.2017 von Flügen von Paris nach Fort de France, Martinique, bei der ... am 09.12.2017, Abflug 15:35 Uhr und Ankunft 20:10 Uhr, sowie von Rückflügen von Fort de France nach Paris am 23.12.2017; weitere Buchung am 08.10.2017 von Flügen von Bremen nach Paris mit der Beklagten am 09.12.2017, Abflug 10:35 Uhr und Ankunft 12:10 Uhr, sowie von Rückflügen von Paris nach Bremen mit der Beklagten am 23.12.2017. Die Entfernung von Bremen nach Paris beträgt weniger als 1.500 Kilometer, nach Fort de France mehr als 3.500 Kilometer.
Der Hinflug von Bremen nach Paris am 09.12.2017 startete nach den unstreitigen Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils aufgrund eines technischen Defekts erst um 13:17 Uhr, so dass die Kläger erst um 15:10 Uhr in Paris landeten und ihren gebuchten Flug nach Martinique nicht mehr erreichten. Die Kläger buchten daher am 10.12.2017 eine Ersatzflugverbindung von Paris nach Martinique, mit der sie am 11.12.2017 um 21:50 Uhr den Flughafen von Fort de France erreichten. In Paris entstanden den Klägern Hotelkosten i.H.v. EUR 159,99.
Die Kläger meinen, die Beklagte hafte aufgrund der Verspätung der Kläger am Endzielort auf eine Entschädigung nach der Fluggastrechte-VO i.H.v. EUR 1.200,- sowie auf Ersatz für Kosten des Ersatzflugs i.H.v. EUR 3.346,83, wobei die Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vorgetragen haben, es seien wegen des Nichtantritts des ursprünglichen Flugs von Paris nach Fort de France auch die mitgebuchten Rückflüge gestrichen worden. Ferner haben die Kläger weitere EUR 1.060,43 als Ersatz von Kosten für Hotel, Verpflegung, Transport und zusätzliche Telefonkosten geltend gemacht.
Die Beklagten meinen, es komme für die En...