Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prüfung der Strafaussetzung einer bislang nicht vollzogenen Begleitstrafe bei Erledigung der nicht vollzogenen Maßregel gemäß § 67c Abs. 2 S. 5 StGB
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine freiheitsentziehende Maßregel drei Jahre nach Rechtskraft des Urteils nicht vollzogen worden, ist bei der nach § 67c Abs. 2 StGB vorzunehmenden Prüfung des weiteren Schicksals der Maßregel die Einholung eines Prognosegutachtens nicht obligatorisch.
2. Es besteht keine gesetzliche Grundlage, im Fall der Erledigung einer Maßregel, mit deren Vollzug drei Jahre nach Rechtskraft des Urteils noch nicht begonnen worden ist, eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer bislang ebenfalls noch nicht vollzogenen Begleitstrafe zu treffen.
Normenkette
StGB §§ 57, 67 Abs. 5, § 67c Abs. 2; StPO § 463 Abs. 6 S. 1
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 24.11.2021; Aktenzeichen 1 Ks 101/18 - 1 AR 8/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Verden vom 24. November 2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Mit Urteil des Landgerichts Verden vom 19. März 2018 wurde gegen den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer vorherigen Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verhängt. Daneben wurde unter anderem die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Das Urteil ist seit dem 4. April 2018 rechtskräftig. Der Verurteilte befand sich nach Rechtskraft der Entscheidung durchgehend auf freiem Fuß. Weder die Freiheitsstrafe noch die Unterbringung in der Entziehungsanstalt wurden bislang vollzogen. Im Hinblick auf die Maßregelanordnung stand bislang kein Therapieplatz zur Verfügung.
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 24. November 2021 hat das Landgericht die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
1. Die statthafte (§ 463 Abs. 6 S. 1 i.V.m. § 462 Abs. 3 S. 1 StPO) sofortige Beschwerde ist bereits unzulässig. Dem Beschwerdeführer fehlt es an der erforderlichen Beschwer. Eine aus einer gerichtlichen Entscheidung folgende Beschwer muss stets objektiv vorhanden sein, darf also nicht lediglich nach der rein subjektiven Einschätzung des Beschwerdeführers bestehen. Es muss insbesondere durch den Tenor der Entscheidung zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Rechte oder schutzwürdigen Interessen des Betroffenen kommen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, vor § 296 Rn. 9, 11 m.w.N.; L-R/Jesse, StPO, 26. Aufl. 2014, vor § 296 ff., Rn. 51). Gemessen daran ist der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert. Soweit er seine Beschwer in der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe erblickt, hat diese ihre Grundlage nicht in der angefochtenen Entscheidung vom 24. November 2021, sondern im rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 19. März 2018. Auch der Beschwerdeführer selbst hat sie nicht - etwa durch entsprechende Antragstellung - zum Gegenstand des Entscheidungsausspruchs gemacht. Der in der angefochtenen Entscheidung allein tenorierte Wegfall der Unterbringungsanordnung durch dessen Erledigung gemäß § 67c Abs. 2 S. 5 StGB beschwert den Verurteilten dagegen nicht. Er wird durch die ausgesprochene Rechtsfolge formal sogar begünstigt, denn die neben einer Freiheitsstrafe angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stellt nicht nur der Form nach, sondern auch in der Sache ein zusätzliches Übel neben der Freiheitsstrafe dar (BGH, Urteil vom 21. März 1973 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327; Beschluss vom 17. September 1987 - 4 StR 441/87; BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012, 2 StR 29/12, juris). Entfällt eines von mehreren Urteilsübeln, kann dies zu keiner Beschwer führen.
2. Die sofortige Beschwerde wäre darüber hinaus auch unbegründet.
a) Es sind keine formalen Mängel der Entscheidung ersichtlich. Insbesondere war zur Vorbereitung der Entscheidung nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Die nach § 67c Abs. 2 StGB zu treffende Entscheidung des Gerichts war gemäß § 463 Abs. 6 S. 1 StPO nach den Verfahrensvorgaben des § 462 StPO zu treffen. Die obligatorische Einholung eines Gutachtens sieht die Vorschrift nicht vor.
b) Auch inhaltlich tragen die Erwägungen der Strafkammer die Erledigung der Maßregel. Die Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist gemäß § 67c Abs. 2 S. 5 auszusprechen, wenn der Zweck der Maßregel erreicht ist. Dies ist dann der Fall, wenn feststeht, dass vom dem Verurteilten entweder gar keine oder keine erheblichen rechtswidrigen Taten infolge seines Hanges bzw. Zustandes mehr zu erwarten sind (LK-StGB/Rissing-van Saan/Peglau, 12. Aufl. 2007, ...