Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungsmacht eines Elternteiles für die Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen des Kindes gegen den anderen, gemeinsam sorgeberechtigten Elternteil über § 1628 BGB; Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers.
Leitsatz (amtlich)
§ 1628 BGB ermöglicht es grundsätzlich nicht, die Vertretungsmacht eines ansonsten gemeinsam sorgeberechtigten Elternteiles zur Durchsetzung einer zivilrechtlichen Forderung des Kindes gegen den anderen Elternteil zu begründen. Insofern bedarf es vielmehr stets der Bestellung eines Ergänzungspflegers.
Normenkette
BGB §§ 1628, 1629 Abs. 2, § 1795
Verfahrensgang
AG Uelzen (Aktenzeichen 3a F 305/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Uelzen vom 16. März 2018 geändert und der Antrag der Kindesmutter auf Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Durchsetzung eines etwaigen Anspruches der Kinder auf Darlehenszinsen gegen den Kindesvater zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt EUR 1.000,-, der Wert des Verfahrens erster Instanz wird gleichfalls auf EUR 1.000,- festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kindesvater wendet sich gegen einen Beschluss, durch den die alleinige Befugnis der Kindesmutter begründet worden ist, über die Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruches der Kinder gegen den Kindesvater zu entscheiden.
Die Kindeseltern waren miteinander verheiratet. Ihrer seit 2013 rechtskräftig geschiedenen Ehe entstammen die hier betroffenen Kinder C. T., geb. am 00.00.2006, M. T., geb. am 00.00.2008, und G. T., geb. am 00.00.2010, für die beide Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt sind.
Der Kindesvater unterzeichnete am 22. Oktober 2012 ein Schriftstück, in dem es heißt:
"Hiermit bestätige ich, dass ich am 15.10.2012 von meinen Kindern C. 10.000,- EUR, M. 7.000,- EUR, G. 3.000,- EUR als Betriebskredit auf mein Kanzleikonto erhalten habe. Die Summe zahle ich bis zum 15.10.2014 mit 5% Zinsen p.a. zurück.
..."
Auf Antrag der Kindesmutter, die der Meinung ist, der Kindesvater schulde die auf die genannten Beträge angefallenen Zinsen und diesen Anspruch namens der Kinder gerichtlich durchsetzen möchte, hat das Amtsgericht - Familiengericht - Uelzen, nach Anhörung der Kindeseltern und eines bestellten Verfahrensbeistandes, der Kindesmutter die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Durchsetzung des Anspruches auf Darlehenszinsen einschließlich der Befugnis, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, übertragen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters, die dieser damit begründet, dass die Übertragung dem Kindeswohl nicht entspreche; zudem sei § 1628 BGB auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche mangels erheblicher Bedeutung nicht anwendbar.
II. Die nach § 58 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die alleinige Befugnis der Kindesmutter begründet, über die gerichtliche Durchsetzung der hier gegenständlichen Zinsansprüche gegen den Kindesvater zu entscheiden. Anders als das Amtsgericht meint, ist § 1628 BGB auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen einen Elternteil im Grundsatz nicht anwendbar; dafür bedarf es vielmehr der Bestellung eines Ergänzungspflegers.
1. § 1628 BGB ermöglicht es gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bei Streit über eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die die Eltern nach § 1687 Satz 1 BGB gemeinsam zu entscheiden haben, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Die Vorschrift dient dazu, in einzelnen, von der gemeinsamen Entscheidungsbefugnis umfassten Angelegenheiten eine vom Kindeswohl geforderte Entscheidung auch dann zu ermöglichen, wenn den Eltern entgegen § 1627 BGB eine Einigung nicht gelingt (vgl. Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB; Neubearb. 2015, § 1628 Rz, 11 ff.). Voraussetzung für die gerichtliche Befugnis, in einer einzelnen Angelegenheit eine Verteilung der elterlichen Sorge vorzunehmen, ist dementsprechend, dass beide Elternteile in der fraglichen Angelegenheit gemeinsam entscheidungsbefugt sind. Die durch § 1628 BGB begründete gerichtliche Entscheidungsbefugnis richtet sich darauf, aufgrund einer Kindeswohlprüfung (§ 1697 a BGB) einen der zuvor gleichermaßen und gemeinsam entscheidungsbefugten Elternteile auszuwählen, der die streitige Entscheidung sodann allein vornimmt.
Eine solche Entscheidung zwischen zwei entscheidungsbefugten Elternteilen ist hier nicht zu treffen. Die Kindesmutter begehrt die Entscheidungsbefugnis, um die Kinder bei Durchsetzung eines behaupteten Anspruches gegen den Kindesvater allein zu vertreten. Dafür gilt § 1628 BGB nicht. Zwar begründet die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil auch dessen alleinige Vertretungsmacht nach außen (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB), so dass die begehrte Alleinvertretungsmacht auch über § 1628 BGB, als Reflex der Entscheidungszuständigkeit, herbeigeführt werden kann. Das setzt aber voraus...