Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Festsetzung der Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist die Geschäftsgebühr auf die entstandene Verfahrensgebühr nur dann anzurechnen, wenn sie tatsächlich bezahlt worden ist.
Normenkette
RVG §§ 15a, 45, 55; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nr. 2300
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 26.09.2013; Aktenzeichen 9 O 317/12) |
Tenor
Die am 18.10.2013 bei dem LG Hannover eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 17.10.2013 gegen den am 16.10.2013 zugestellten Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Hannover vom 26.9.2013 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 210,39 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am 18.10.2013 bei dem LG eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 17.10.2013 gegen den ihm am 16.10.2013 zugestellten Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Hannover vom 26.9.2013 ist gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
II. Die Beschwerde ist jedoch (nunmehr) unbegründet.
Der Anspruch des Antragstellers auf Vergütung in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gem. §§ 45 Abs. 1, 49 RVG, Nr. 3100 RVG-VV ist vorliegend durch Anrechnung der für die außergerichtliche Vertretung entstandenen hälftigen Geschäftsgebühr gemäß Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV erloschen, nachdem die Beklagte zwischenzeitlich die unter Ziff. 2 des Vergleich vom 12.7.2013 titulierte vorprozessuale Geschäftsgebühr i.H.v. 961,28 EUR brutto unmittelbar an den Antragsteller gezahlt hat.
Der Senat nimmt insoweit mit Befremden zur Kenntnis, dass der Antragsteller entgegen seiner Verpflichtung aus § 55 Abs. 5 Satz 4 RVG die Zahlung i.H.v. 961,28 EUR durch die Beklagte nicht unverzüglich angezeigt, sondern erstmals aufgrund der Anfrage des Senats überhaupt den Erhalt der Zahlung eingeräumt hat.
1) Die allgemeinen Vorschriften zur Anrechnung gelten auch für die Vergütung des Rechtsanwalts, der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet ist (vgl. OLG Brandenburg MDR 2011, 1206-1207; OLG Frankfurt FamRZ 2013, 323-324; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., § 58 Rz. 35 und 36 sowie § 15a Rz. 15 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des LG führt dies zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die von dem beigeordneten Rechtsanwalt gegenüber der Staatskasse geltend gemachte Verfahrensgebühr aber nur dann, wenn die Geschäftsgebühr tatsächlich an ihn gezahlt worden ist (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O., und JurBüro 2013, 21-22 und 2013, 467; OLG Braunschweig FamRZ 2011, 1683-1684; Niedersächsisches FG EFG 2012, 553-556; Gerold/Schmidt, a.a.O.; Schneider/Wolf, RVG, 5. Aufl., § 15a Rz. 25; Meyer/Kroiß/Winkler, RVG, 6. Aufl., § 15a Rz. 23; im Ergebnis wohl auch: Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 27.6.2013 - 6 E 600/13, Rz. 27 Juris).
Die Staatskasse wird im Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG unmittelbarer Gebührenschuldner und tritt insoweit an die Stelle des Mandanten; sie ist daher nicht Dritter i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG. Nach der zum 5.8.2009 in Kraft getretenen Norm des § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt auch im Fall der Anrechnung beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag beider Gebühren. Der Rechtsanwalt hat mithin die Wahl, welche Gebühren er fordert und - falls die Gebühren von unterschiedlichen Personen geschuldet werden - welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist es lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren abzgl. des anzurechnenden Betrages ergibt (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2013, 323-324 m.w.N.).
Zwar kommt es nach dem Wortlaut der Regelung in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG nur darauf an, dass die Geschäftsgebühr entstanden ist, das heißt durch die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst wurde, nicht aber darauf, ob sie tatsächlich gezahlt ist. Zweck der Anrechnung ist es zu verhindern, dass die gleiche - oder annähernd gleiche - Tätigkeit zweimal honoriert wird (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., Nr. 3100 RVG-VV Rz. 55). Insoweit wurde vertreten, dass es für diese Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob der beigeordnete Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr oder einen Vorschuss darauf bereits erhalten hat oder ob mit der Zahlung der Gebühr wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist (vgl. Hamburgisches OVG, JurBüro 2009, 137-138 m.w.N.).
Ebenfalls zum 5.8.2009 ist jedoch § 55 Abs. 5 RVG neu gefasst worden. Nach § 55 Abs. 5 Satz 2 RVG hat der Rechtsanwalt in seinem Festsetzungsantrag anzugeben, ob und welche Zahlungen er bis zum Tag der Antragstellung erhalten hat; spätere Zahlungen hat er nach § 55 Abs. 5 Satz 4 unverzüglich anzuzei...