Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Unterlassung der Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel als Präsentationsarzneimittel
Leitsatz (amtlich)
Die Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel verstößt gegen §§ 38, 43 AMG, wenn sich das Produkt im Kontext der streitgegenständlichen Werbung für den durchschnittlich informierten Verbraucher als homöopathisches Präsentationsarzneimittel darstellt.
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Februar 2017 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stade durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000,00 EUR fest-gesetzt.
Gründe
I.
1
Die Beklagte bringt das Produkt "HCG C30 G. Globuli" mit der alleinigen Zutat Saccharose (Zucker) in den Verkehr und bewirbt es über ihren Internetauftritt unter www.h.-pharma.de wie aus der Anlage K 1 (Anlagenhefter Kläger) ersichtlich. Die Werbung für die 10g-Packung zum Preis von 16,90 EUR enthält insbesondere einen Text unter der Überschrift "Ein kleiner Exkurs zur Homöopathie", als dessen Quelle angegeben ist "Quelle: Anne Hild (2015): Die HcG-Diät". Auf seinem - in der Internetwerbung nur teilweise lesbaren - Etikett ist das Produkt als "Nahrungsergänzungsmittel" bezeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten der streitgegenständlichen Werbung wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
2
Der Kläger, ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und dabei insbesondere die Überwachung der Regeln des lauteren Wettbewerbs ist, hat beantragt, die Beklagte zur Unterlassung der Werbung für "HCG C30 G. Globuli" wie in der Anlage K 1 wiedergegeben zu verurteilen, sofern für das Mittel keine Zulassung als Arzneimittel vorliegt oder dieses als homöopathisches Arzneimittel registriert ist. Der Kläger hat behauptet, bei dem Produkt handele es sich um ein Präsentationsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, weil es nach dem Verständnis der von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise dazu diene, auf homöopathische Weise das Körpergewicht zu reduzieren. Als Nahrungsergänzungsmittel habe das Produkt nicht beworben und außerhalb von Apotheken nicht vertrieben werden dürfen.
3
Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und hierbei die Auffassung vertreten, dem Kläger fehle bereits die Klagebefugnis. Jedenfalls sei das streitgegenständliche Produkt kein Arzneimittel, insbesondere kein Präsentationsarzneimittel, weil es unmittelbar auf seinem Etikett als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet werde und es sich bei dem Namen des Produkts um eine reine Phantasiebezeichnung handele.
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Das Landgericht hat der Unterlassungsklage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, das Produkt sei als Präsentationsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG zu qualifizieren, obwohl es auf seinem Etikett ausdrücklich als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet sei. Die Bewerbung mit einem "kleinen Exkurs zur Homöopathie" unter Hinweis auf das Buch zur "HcG-Diät" stelle für den informierten und interessierten Verbraucher unmissverständlich den Bezug zum Schwangerschaftshormon HCG und dessen möglicher Wirkung auf das Körpergewicht her. Bei Globuli handele es sich um die typische Darreichungsform für homöopathische Arzneimittel. Mit der Angabe C30 werde zudem auf die Potenzierung des Mittels verwiesen. Auch die Aufmachung des Produkts sei - mit Ausnahme der Farbgebung - den homöopathischen Arzneimitteln der Deutschen Homöopathie-Union in der Packungsgröße 10g und der Darreichungsform Globuli angenähert. In der Gesamtschau vermittele die Werbung der Beklagten dem Verbraucher damit den Eindruck, dass es sich um ein homöopathisches Arzneimittel handele.
5
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die Beklagte meint, der Tenor des landgerichtlichen Urteils sei zu weit gefasst, weil damit pauschal die Bewerbung des streitgegenständlichen Produkts wie aus der Anlage K 1 ersichtlich untersagt werde, obwohl auch in dem - von der Beklagten weiterhin bestrittenen - Fall, dass es sich um ein homöopathisches Arzneimittel handele, die Beklagte dieses Produkt ohne Zulassung und ohne Registrierung in den Verkehr bringen könne, wenn die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 3 AMG vorlägen. Ferner rügt die Beklagte, das Landgericht habe seiner Entscheidung Sachverhaltsannahmen hinsichtlich der Aufmachung des Produkts zugrunde gelegt, die weder auf dem Vortrag der Parteien beruhten noch sonst in das Verfahren eingeführt worden seien. Tatsächlich bestehe keine Ähnlichkeit zwischen der Gestaltung des Etiketts des streitgegenständlichen Produkts der Beklagten und den Arzneimitteln der Deutschen Homöopathie-Union. Die Beklagte meint, das Vorliegen e...