Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines von dem Haftpflichtversicherer wegen des Verdachts eines lediglich vorgetäuschten Unfalls eingeholten Privatgutachtens sind nur dann erstattungsfähig i.S.v. § 91 ZPO, wenn im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht des Versicherungsbetrugs vorlagen und wenn das Gutachten bzw. die Erkenntnisse des Sachverständigen in den Prozess eingeführt werden.
Normenkette
ZPO §§ 91, 103-104
Verfahrensgang
LG Stade (Beschluss vom 01.11.2010; Aktenzeichen 2 O 380/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 16.11.2010 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss 2 des Rechtspflegers der 2. Zivilkammer des LG Stade vom 1.11.2010 geändert und wie folgt neu gefasst:
Die auf Grund des vollstreckbaren Beschlusses des LG Stade vom 1.9.2010 von der Beklagten zu 2 an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 17,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 13.9.2010 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 803,25 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. § 104 Abs. 3 i.V.m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat der Rechtspfleger der 1. Zivilkammer des LG Stade im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss auf Seiten der Beklagten zu 2 Kosten für ein vorgerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten i.H.v. 1.785 EUR in Ansatz gebracht.
1. Damit es sich um erstattungsfähige Kosten handelt, muss ein von einer Partei vorgerichtlich eingeholtes privates Sachverständigengutachten grundsätzlich unmittelbar prozessbezogen sein. Das erfordert regelmäßig, dass eine Klage bereits angedroht ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Erstattung vorgerichtlicher Sachverständigkosten nur dann in Betracht, wenn die Tätigkeit des Privatsachverständigen in unmittelbarer Beziehung zu dem sich konkret abzeichnenden Rechtsstreit steht oder sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehtbzw. mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden ist (vgl. BGH MDR 2009, 232; BGH NJW 2008, 1597 f.; BGH VersR 2006, 1236 f.). Denn jede Partei habe grundsätzlich ihrer Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen (vgl. BGH VersR 2006, 1236 f.; OLG Frankfurt NJW-RR 2009, 1076; OLG Celle, Beschl. v. 15.9.2009 - 2 W 251/09; OLG Celle, Beschl. v. 18.12.2009 - 2 W 361/09).
Hiervon gibt es nach der Rechtsprechung jedoch Ausnahmen. In seinem Urteil vom 14.10.2008 (vgl. VersR 2009, 280, 281; vgl. auch BGH VersR 2008, 563, je m.w.N.) hat der BGH für den Fall, in dem eine Haftpflichtversicherung wegen eines (angeblichen) Unfallgeschehens in Anspruch genommen worden ist und der insoweit mit dem Streitfall vergleichbar ist, ausgeführt: "Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats und der OLG wird nämlich eine die Erstattungsfähigkeit auslösende Prozessbezogenheit trotz Fehlens eines engen zeitlichen Zusammenhangs in den Fällen bejaht, in denen sich der Verdacht eines Versicherungsbetrugs aufdrängt, weil sich der Versicherer dann von vornherein auf einen Deckungsprozess einstellen muss (vgl. Senat, Beschl. v. 17.12.2002 - VI B 56/02 - VersR 2003, 481, 482; KG JurBüro 1989; OLG Brandenburg VersR 2006, 287, 288; OLG Frankfurt VersR 1996, 122; OLG Karlsruhe VersR 2004, 931, 932; OLG Köln VersR 2004, 803; OLG Hamburg JurBüro 1989, 819 und JurBüro 1991, 1105, 1109; OLG Hamm ZfS 2003, 145; OLG Koblenz VersR 2004, 933 und JurBüro 2006, 542 f., sowie die oben genannten Stimmen in der Literatur; a.A. OLG Karlsruhe JurBüro 2005, 656). Sind ausreichende Anhaltspunkte für den Versuch eines Versicherungsbetrugs vorhanden, ist von Anfang an damit zu rechnen, dass es zum Prozess kommen wird, weil der Täter bei Ablehnung der Einstandspflicht versuchen wird, sein Ziel einer nicht gerechtfertigten Schadensregulierung auch durch einen Rechtsstreit zu erreichen. In einem solchen Fall ist das Privatgutachten - unabhängig von einer ausreichenden zeitlichen Nähe zum Rechtsstreit - regelmäßig als prozessbezogen anzusehen. Die Kosten hierfür sind daher im Rahmen der Bestimmungen auch dann erstattungsfähig, wenn ein Verlust von Beweismitteln nicht zu besorgen ist." Hingegen hat der BGH die Erstattungsfähigkeit verneint, wenn das vorprozessual eingeholte Gutachten lediglich der allgemeinen und eher routinemäßigen Prüfung der Frage diene, ob es sich um ein vorgetäuschtes Unfallgeschehen und damit um eine Prüfung der Einstandspflicht der Versicherung handele (BGH NJW 2008, 1597 f., zitiert nach JURIS Rz. 10).
Im Streitfall war in dem Zeitpunkt, als die Beklagte zu 2 den Sachverständigen H. beauftragt hat, seitens des Klägers eine Klage nicht angedroht, das Gutachten (wenn es ein solches überhaupt gibt) ist auch offenkundig vor Klagerhebung erstattet worden, nachdem der Sa...