Leitsatz (amtlich)
1. Schließen die Beteiligten in einem Termin einen Vergleich zum Sorge- und Umgangsrecht, so bemisst sich die Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 i.V.m. Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG aus den zusammengerechneten Werten beider Verfahren. Die Vergütung ist in dem Verfahren festzusetzen, in dem der Vergleich geschlossen wird (im Anschluss an OLG Celle vom 24.04.2014 - 17 WF 79/14, NdsRpfl 2014, 254; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen AGS 2017, 268; LSG Baden-Württemberg AGS 2019, 402).
2. Bei einem Gesamtvergleich ist nach dem ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Willen der Vertragsparteien - auch bei gegensätzlicher Äußerung der Verfahrensbevollmächtigten - regelmäßig von einem (einheitlichen) Vertrag i.S.d. Nr. 1000 VV RVG auszugehen, wobei neben der einheitlichen Form auf den engen objektiven sachlichen Zusammenhang sowie auf die einheitliche Erörterung abzustellen ist, sodass davon ausgegangen werden kann, die eine Vereinbarung wäre nicht ohne die andere zustande gekommen.
Verfahrensgang
AG Tostedt (Aktenzeichen 23 F 111/22) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Vaters vom 19. Juni 2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tostedt vom 1. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beteiligten haben vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Tostedt das vorliegende Verfahren 23 F 111/22 UG betreffend das Umgangsrecht für die Kinder R. K., geboren am .... April 2017, und S. K., geboren am .... August 2018, sowie das Verfahren 23 F 101/22 SO (21 WF 77/23) betreffend die elterliche Sorge für die beiden Kinder geführt. Den Eltern war Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden.
Am 15. März 2023 wurden die beiden Verfahren vor dem Amtsgericht zusammen verhandelt. Die Beteiligten schlossen eine gemeinsame Vereinbarung zu beiden Verfahrensgegenständen, in der u.a. folgendes geregelt wurde:
Die Kindeseltern sind sich darüber einig, dass die elterliche Sorge sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder [...] fortan weiter gemeinschaftlich ausgeübt werden soll. Der Lebensmittelpunkt der Kinder soll beim Kindesvater bleiben.
Die Kindesmutter erhält wöchentlich begleiteten Umgang. [...]
In einem im Anschluss protokollierten Beschluss erstreckte das Amtsgericht die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf die Vereinbarung und unter Ziff. 4 des Beschlusses setzte es den Verfahrenswert je Verfahren auf 4.000 EUR fest, wobei es ergänzte, dass "je Verfahren eine Einigungsgebühr anfallen soll, so wie dies bei einer getrennten Verhandlung von Umgangs- und Sorgerecht der Fall wäre."
Am 16. März 2023 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Vaters (im Folgenden: Beschwerdeführerin) in beiden Verfahren jeweils die Festsetzung ihrer Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin. Wegen der Vereinbarung begehrte sie jeweils die Festsetzung eines Betrages von 330,82 EUR (278 EUR Einigungsgebühr zzgl. 52,82 EUR Umsatzsteuer).
Am 22. März 2023 wurde die aus der Landeskasse noch zu zahlende Verfahrenskostenhilfevergütung für das Sorgerechtsverfahren auf 377,23 EUR (317 EUR Einigungsgebühr zzgl. 60,23 EUR Umsatzsteuer) und für das vorliegende Umgangsverfahren auf 0 EUR festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine einheitliche Einigung immer zu einer Einigungsgebühr nach den addierten Verfahrenswerten führe. Die Einigungsgebühr sei in dem Verfahren 23 F 101/22 SO nach den zusammengerechneten Werten von je 4.000 EUR (8.000 EUR) in Höhe von 317 EUR festgesetzt worden und könne in dem Verfahren 23 F 111/22 UG keine Berücksichtigung mehr finden.
Gegen die Festsetzung wendete sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Erinnerung vom 22. März 2023, der sich die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter mit Schriftsatz vom 20. April 2023 angeschlossen hat. Zur Begründung führte sie aus, das Gericht habe im Hinblick auf die Anhörung insbesondere des Sachverständigen sowie des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin ein einheitliches, gleichlautendes Protokoll fertigen wollen, was selbstverständlich durchaus sinnvoll sei. Es sei ausdrücklich vor der Protokollierung der Vereinbarung darauf hingewiesen worden, dass die Einigung zum Sorgerecht und die Einigung zum Umgangsrecht zwei verschiedene Angelegenheiten und die Vereinbarung jeweils getrennt zu protokollieren seien, da andernfalls "der Kostenbeamte" geltend machen werde, dass nicht zwei Einigungsgebühren, sondern lediglich eine aus dem zusammengerechneten Wert beider Angelegenheiten anfallen würde. Es sei deshalb auch die Klarstellung im Beschluss erfolgt. Wenn das Familiengericht es als sinnvoll und sachgerecht erachte, ein einheitliches Protokoll über die Verhandlung aufzunehmen und entsprechend eine einheitliche Vereinbarung zu diktieren, um dadurch die Dinge abzukürzen und zu rationalisieren, so könne im Rahmen der Vergütungsfestsetzung dies nicht einfach zum Anlass genommen werden, die Verfahrenskostenhilfevergütung zu kürzen. Wegen des weiteren Inhalts wird auf da...