Leitsatz (amtlich)
Wird die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten (§ 1956 BGB), ist bei Berechnung der Anfechtungsfrist dem Ausschlagenden, dessen vom Notar beglaubigte Ausschlagungserklärung nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht eingegangen ist, obwohl er den Notar bevollmächtigt hatte, die Ausschlagungserklärung beim Nachlassgericht einzureichen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FGG), die Kenntnis des Notars von der Versäumung der Ausschlagungsfrist in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.
Normenkette
BGB § 166 Abs. 1, § 1956; FGG § 13 Abs. 2 S. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 14.07.2009; Aktenzeichen 3 T 54/09) |
AG Lüneburg (Aktenzeichen 22 VI 702/06) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: für den Beteiligten zu 5) 1.000 EUR
für die Beteiligte zu 6) 8.889 EUR.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts im angefochtenen Beschluss wird für den Beteiligten zu 5 in 1.000 EUR und für die Beteiligte zu 6 in 8.889 EUR geändert.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist unbegründet.
Die Entscheidung des LG, die Erblasserin sei im Wege gesetzlicher Erbfolge nicht nur von den Beteiligten zu 5 und 6, ihrem zweiten Ehemann und ihrer Adoptivtochter (Bl. 21b d.A.), sondern auch von den Beteiligten zu 1 bis 4, ihren Enkeln, beerbt worden, beruht auf keiner Verletzung des Rechts [§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, dessen Vorschriften Anwendung finden, da das Erbscheinsverfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist (Art. 111 Satz 1 FGGReformgesetz)].
I. S.E. und C.B., die Töchter aus der ersten Ehe der Erblasserin, haben ihre Erbschaft nach der Erblasserin jeweils durch notariell beglaubigte Erklärung vom 30.10.2006, jeweils eingegangen beim AG Lüneburg am 6.11.2006 (Bl. 1 bis 5 der Beiakten 22 VI 702/06 AG Lüneburg), vor Ablauf von 6 Wochen nach dem Eintritt des Erbfalls wirksam ausgeschlagen. Denn die Ausschlagung kann binnen einer Frist von 6 Wochen erfolgen (§ 1944 Abs. 1 BGB), die mit dem Zeitpunkt beginnt, in welchem der Erbe von dem Anfall des Erbes und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB).
II. Durch diese Ausschlagungen ist der Erbteil von S.E. ihrem Sohn, dem am 17.11.1989 geborenen Beteiligten zu 1, und derjenige von C.B. ihren Töchtern, der am 23.7.1990 geborenen Beteiligten zu 2, der am 17.5.1993 geborenen Beteiligten zu 3 und der am 26.5.1997 geborenen Beteiligten zu 4, als Enkeln der Erblasserin angefallen (§§ 1924 Abs. 3, 1953 Abs. 2 BGB), welche die Erbschaft weder rechtzeitig ausgeschlagen noch rechtzeitig die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten haben.
1. Die notariell beglaubigte Erklärung S.E. vom 9.2.2007, dass ihr Sohn, der Beteiligte zu 1, die Erbschaft nach der Erblasserin ausschlägt (Bl. 22 f. d.A.), und die notariell beglaubigte Erklärung von C. und R.B. vom 5.3.2007, dass ihre Töchter, die Beteiligten zu 2 bis 4, die Erbschaft nach der Erblasserin ausschlagen (Bl. 24 f. d.A.), sind nicht innerhalb der sechswöchtigen Ausschlagungsfrist (§ 1944 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB), sondern erst am 26.4.2007 beim Nachlassgericht eingegangen (Bl. 20 d.A.), da diese Frist spätestens bei Abgabe der Ausschlagungserklärungen, für die keine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich war (§ 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB), am 9.2.2007 und am 5.3.2007 zu laufen begonnen hat. Denn die Beteiligten zu 1 bis 4 waren noch minderjährig, so dass auf die Kenntnis ihrer gesetzlichen Vertreter abzustellen ist (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 1944 Rz. 6), die bei Abgabe der Ausschlagungserklärungen Kenntnis vom Erbanfall aufgrund gesetzlicher Erbfolge hatten.
2. Die Versäumung der Ausschlagungsfrist, deren Anfechtung in gleicher Weise wie die der Annahme erfolgen kann (§ 1956 BGB) und als Ausschlagung gilt (§ 1957 Abs. 1 BGB), ist von den Beteiligten zu 1 bis 4 nicht rechtzeitig angefochten worden. Die jeweils am 4.6.2007 notariell beglaubigten Erklärungen, dass S.E. einerseits sowie C. und R.B. andererseits für ihre Kinder, die Beteiligten zu 1 bis 4, die Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums über ihren Lauf anfechten und die Erbschaft nach der Erblasserin ausschlagen, da man "irrtümlich keine Kenntnis davon hatte, dass die Ausschlagung innerhalb einer Frist von 6 Wochen erfolgen muss" (Bl. 21 bis 24 d. BA), sind beim Nachlassgericht erst nach Ablauf von 6 Wochen am Donnerstag, dem 7.6.2007, eingegangen.
a) Die Anfechtung der Fristversäumung erfolgt durch Erklärung ggü. dem Nachlassgericht (§§ 1955, 1945 BGB) und kann nur binnen sechs Wochen erfolgen (§ 1954 Abs. 1 BGB), wobei die Frist bei einem Irrtum mit dem Zeitpunkt beginnt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (§ 1954 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB), hier also mit der Kenntnis über den Ablauf der Ausschlagungsfrist.
b) Als die Anfechtungserklärungen am Donnerstag, dem 7.6.2007, beim Nachlassgericht eingegangen sind, war die Anfechtungsfrist für die Beteiligten zu 1 bis 4 bereits abgelaufen, da die sechswöchige Frist am Donn...