Leitsatz (amtlich)

Die teilweise Anrechnung einer vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entstandene Verfahrensgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV ist im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO grundsätzlich nur zu berücksichtigen, wenn diese bereits tituliert ist oder vom Erstattungsschuldner ausgeglichen worden ist.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1, § § 103 ff.; RVG-VV Vorb. 3 Abs. 4 Nr. 2300; RVG-VV Nr. 3100

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 04.10.2007; Aktenzeichen 18 O 350/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 24.10.2007 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 18. Zivilkammer des LG Hannover vom 4.10.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Der Beschwerdewert beträgt 1.487,20 EUR.

Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Im Rechtsstreit hat der Kläger das beklagte Land wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen. Auf eine vorgerichtliche anwaltliche Aufforderung hatte das beklagte Land anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen und war durch ihre späteren Prozessbevollmächtigten dem geltend gemachten Anspruch entgegen getreten.

Das LG hat die Klage mit Urteil vom 17.7.2007 abgewiesen. Mit Schriftsatz vom 24.7.2007 hat das beklagte Land die Kostenfestsetzung beantragt und unter Berücksichtigung einer 1,3-Verfahrensgebühr Kosten i.H.v. insgesamt 5.801,40 EUR geltend gemacht. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 7.3.2007, VIII ZR 8606) sei die Verfahrensgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV um die hälftige Geschäftsgebühr zu reduzieren.

Mit Beschluss vom 4.10.2007 hat die Rechtspflegerin die von dem beklagten Land geltend gemachten Kosten antragsgemäß festgesetzt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, nach dem Beschluss des BGH vom 7.3.2007 sei die Verfahrensgebühr nur auf die Geschäftsgebühr anzurechnen, wenn diese in der Klage mit geltend gemacht worden und durch das Gericht im Urteil in vollem Umfang zugesprochen worden sei, was vorliegend nicht der Fall sei.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist dem Kläger am 12.10.2007 zugestellt worden. Mit Telefax vom 24.10.2007 hat er hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der er begehrt, unter teilweiser Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses die Verfahrensgebühr nur i.H.v. 0,65 festzusetzen. Er meint, das LG habe die Entscheidung des BGH missverstanden. Danach bliebe in Fällen wie dem Vorliegenden die vorgerichtlich verdiente Geschäftsgebühr in vollem Umfang bestehen, während sich die Verfahrensgebühr reduziere. Das beklagte Land müsse die wegen der außergerichtlichen Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr selbst tragen und bekomme im Rechtsstreit nur die Hälfte der Verfahrensgebühr erstattet.

Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Es vertritt die Auffassung, die Entscheidung des BGH sei für die Entscheidung der hier maßgeblichen Frage nicht einschlägig. Überdies bestehe ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch.

Mit Beschluss vom 3.1.2008 hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist, auch wenn es dort heißt, dass "wir" Beschwerde einlegen, bei verständiger Würdigung dahin auszulegen, dass es sich um eine Beschwerde des Klägers und nicht um eine solche seiner Prozessbevollmächtigten handelt.

Die zulässige (§ 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO) sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht das LG hat in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 3.1.2008 selbst darauf hingewiesen, dass die Begründung im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht zutrifft - hat das LG gemeint, dass dem beklagten Land die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr zusteht und eine Anrechnung der aufgrund der vorgerichtlichen Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV auf die im gerichtlichen Verfahren angefallene 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV nicht in Betracht kommt.

Der Senat tritt insoweit der ganz herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung bei, nach der eine Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nur dann in Betracht kommt, wenn diese im Hauptverfahren oder anderweitig tituliert oder der Anrechnungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren unstreitig ist (vgl. KG AGS 2007, 349. OLG München AGS 2007, 495. OLG Koblenz AGS 2007, 642. OLG Rostock AGS 2008, 46. OLG Hamm AGS 2008, 47. OLG Karlsruhe AGS 2007, 494. OLG Schleswig AGS 2008, 42 OLG Stuttgart AGS 2008 43, zum Meinungsstand zuletzt auch Hansens, AGS 2008, 1). Das ist im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht der Fall.

Ungeachtet des Mandats für die vorgerichtliche Tätigkeit ist für die Prozessbevollmächtigten des beklagten Landes spätestens mit Einreichung der Klageschrift die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV entstanden. Die Entstehung der Verfahrensgeb...

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