Entscheidungsstichwort (Thema)
Impfausweis. Fälschung. Urkunde. Beweiserheblichkeit. Genesung. Covid-19. Feststellungen zur Fälschung eines Impfausweises
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung aufgrund der Fälschung eines Impfausweises erfordert konkrete Feststellungen zu den darin vorgenommenen Eintragungen.
2. Eine elektronische Bescheinigung über die Genesung von Covid-19 unterfällt nur dann dem Tatbestand des § 269 StGB, wenn die Datei selbst den Anschein erweckt, dass sie von dem vermeintlichen Aussteller der Bescheinigung erstellt wurde (Fortführung von OLG Celle, Urteil vom 15. Dezember 2023 - 1 ORs 2/23 -, Rn. 42, juris).
Normenkette
StGB §§ 267, 269
Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 900 NBs 88/23) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Stade zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Stade - Strafrichter - hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Anstiftung zur Urkundenfälschung und zur Fälschung beweiserheblicher Daten freigesprochen. Auf die dagegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 9. kleine Strafkammer des Landgerichts Stade mit dem angefochtenen Urteil vom 9. April 2024 das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen sowie Anstiftung zur Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts forderte der Angeklagte am 10. Mai 2021 seine Schwester J:-C. F. per Chat-Nachricht dazu auf, drei Impfaufweise für sich, seinen Vater und seine Ehefrau zu bestellen, die Eintragungen über in Wahrheit nicht erfolgte Impfungen gegen Covid-19 enthielten, und überwies ihr dafür insgesamt 450 Euro. Die Schwester des Angeklagten entschloss sich deshalb, die Impfpässe bei der gesondert verfolgten S. O. zu bestellen. Diese beschaffte deshalb die Impfaufweise aus einer unbekannten Quelle.
Außerdem bat der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen im November 2021 seine Schwester darum, ihm einen gefälschten Genesenen-Ausweis zu beschaffen. Diese übersandte ihm daraufhin am 11. November 2021 per E-Mail einen gefälschten Befund des Labors Dr. F., der dem Angeklagten einen positiven PCR-Test auf Antikörper für SARS-CoV-2 bescheinigte. Diese Dokumente hatte sie selbst auf ihrem PC erstellt und dafür als Vorlage den Befund einer dritten Person verwendet.
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten bei der Tat im Mai 2021 als Anstiftung zur Urkundenfälschung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen gemäß §§ 267 Abs. 1, 26, 52 StGB und bei der Tat im November 2021 als Anstiftung zur Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß §§ 269 Abs. 1, 26 StGB gewürdigt.
II.
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
Die Feststellungen des Landgerichts tragen weder den Schuldspruch wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung gemäß §§ 267 Abs. 1, 26 StGB noch den Schuldspruch wegen Anstiftung zur Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß §§ 269 Abs. 1, 26 StGB. Es fehlt jeweils an vollständigen Feststellungen zu einer entsprechenden Haupttat, die gemäß § 26 StGB Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Anstiftung ist.
1.
Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB erweisen sich die Urteilsfeststellungen in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft. Sie belegen weder das Vorliegen einer Urkunde noch ein Auseinanderfallen zwischen dem scheinbaren und dem tatsächlichen Aussteller.
a) Eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt war, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und den Aussteller erkennen ließ (st. Rspr.; statt aller BGH, Beschluss vom 14. März 2024 - 2 StR 192/23 -, Rn. 35, juris, m. w. N.).
Ein vollständig ausgefüllter Impfausweis erfüllt diese Voraussetzungen; die vollständigen Angaben ergeben die Erklärung des im Impfausweis aufgeführten Impfarztes, der genannten Person die bezeichnete Impfung an einem bestimmten Tag unter Verwendung eines Vakzins einer bestimmten Charge verabreicht zu haben (BGH, Urteil vom 10. November 2022 - 5 StR 283/22 -, Rn. 36, juris; OLG Celle, Urteil vom 31. Mai 2022 - 1 Ss 6/22 -, Rn. 15, juris).
Ob sich einem Impfausweis eine solche Erklärung entnehmen lässt, muss im Urteil in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall festgestellt werden. Es reicht nicht aus, den Inhalt mit reinen Rechtsbegriffen zu umschreiben; erforderlich ist vielmehr eine Beschreibung der jeweiligen Eintragungen, namentlich ob der Impfausweis für eine bestimmte Person ausgestellt wurde und ggf. für welche, ob etwa ein Aufkleber mit einer Chargen-Nummer in dem Impfausweis eingeklebt war und welchen Inhalt dieser gegebenenfall...