Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachfestsetzung der hälftigen Verfahrensgebühr nach Rechtsprechungsänderung
Leitsatz (amtlich)
Die antragsgemäß erfolgte Festsetzung einer um die hälftige Geschäftsgebühr verminderten Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV hindert den Antragsteller nicht, wegen der restlichen Verfahrensgebühr die Nachfestsetzung zu beantragen.
Normenkette
ZPO §§ 103-104; RVG § 15a
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 20.08.2010; Aktenzeichen 4 O 42/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 8.9.2010 wird der Beschluss der Rechtspflegerin der 4. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 20.8.2010 aufgehoben.
Auf den Nachfestsetzungsantrag der Klägerin vom 3.6.2010 werden die aufgrund des rechtskräftigen Urteils des LG Hildesheim vom 18.6.2009 von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 589,34 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 287 BGB seit dem 4.6.2010 festgesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag der Klägerin auf Nachfestsetzung sowie die weitergehende sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 29 % und der Beklagte zu 71 %.
Der Beschwerdewert wird auf 830,05 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin hat den Beklagten im Rechtsstreit aus einem Bauvertrag aus Zahlung von Restwerklohn in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 18.6.2009 hat das LG den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 60.624,96 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits hat es der Klägerin zu 29 % und dem Beklagten zu 71 % auferlegt. Eine Berufung der Beklagten gegen das Urteil ist erfolglos geblieben. Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden hat der Beklagte die Berufung zurückgenommen. Durch Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Celle vom 8.12.2009 sind dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden.
Die Parteien haben hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz wechselseitige Kostenausgleichsanträge gestellt. Hierbei hat sich die Klägerin, der damaligen Rechtsprechung des Senates entsprechend, eine verdiente vorgerichtliche Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anrechnen lassen und damit einen um 830,05 EUR verminderten Kostenantrag gestellt. Mit Schriftsatz vom 9.2.2010 hat sie darauf hingewiesen, die Nachfestsetzung bleibe ausdrücklich vorbehalten, da noch keine endgültige einheitliche Entscheidung des BGH hinsichtlich der Anrechnung der vorgerichtlich verdienten Geschäftsgebühr vorliege. Mit Beschluss vom 15.4.2010, der rechtskräftig geworden ist, hat das LG die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten der ersten und zweiten Instanz auf 3.381,79 EUR nebst Zinsen festgesetzt.
Unter dem 3.6.2010 hat die Klägerin im Hinblick auf die durch die Rechtsprechung zahlreicher Senate des BGH bedingte geänderte Rechtsprechung des Senates beantragt, im Wege der Nachfestsetzung Kosten i.H.v. 830,05 EUR verzinslich ab Antragseingang auszugleichen. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr stehe es frei, nunmehr die restliche Verfahrensgebühr im Wege der Nachfestsetzung geltend zu machen, nachdem der Senat seine Rechtsprechung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr geändert habe. Das LG hat die Klägerin mit Verfügung vom 19.7.2010 darauf hingewiesen, dass es die Wiederaufrollung eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahrens zur Geltendmachung nach inzwischen geänderter Rechtsauffassung vermeintlich erwachsener Gebühren für nicht zulässig erachte. Mit einer Anregung des LG, das Verfahren bis zur Entscheidung des BGH im Verfahren VII ZB 15/10 auszusetzen, hat sich der Beklagte ausdrücklich nicht einverstanden erklärt.
Mit Beschluss vom 20.8.2010 hat das LG den Antrag der Klägerin auf Nachfestsetzung zurückgewiesen. Es hat gemeint, die Berücksichtigung lediglich einer 0,65 Verfahrensgebühr i.H.v. 830,05 EUR habe der damaligen Rechtsauffassung des OLG Celle entsprochen, ein Rechtsmittel hiergegen sei nicht eingelegt worden. Die neue Rechtsprechung des Senates sei zum Zeitpunkt der Kostenfestsetzung am 15.4.2010 nicht bekannt gewesen. Eine Nachfestsetzung sei nun nicht mehr möglich. Wenn ein Verfahren seit längerem abgeschlossen sei, müsse es dabei belassen werden. Es sei mit Abschluss des Verfahrens ein endgültiger Zustand erreicht worden, der die Durchführung eines neuen Festsetzungsverfahrens wegen geänderter Rechtsauffassung hindere. Insoweit werde auch auf den Beschluss des KG vom 12.12.1963, Az. 1 W 1785/63, Bezug genommen. Wegen des Inhaltes des Beschlusses im Übrigen wird auf Bl. 685 f. d.A. Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 8.9.2010 hat die Klägerin gegen den Beschluss vom 20.8.2010 sofortige Beschwerde eingelegt unter Hinweis darauf, die Zustellung sei am 25.8.2010 erfolgt. Sie hat die Ansicht vertreten, es handele sich nicht um einen Fall der Wiederaufrollung nach inzwischen geänderter Rechtsauffassung. Denn die Änderung d...