Leitsatz (amtlich)
Nach der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO kann der Berufungsbeklagte, dem keine Berufungserwiderungsfrist gesetzt worden war, die Erstattung einer vollen Verfahrensgebühr gemäß VV Nr. 3200 verlangen, wenn er auf die Stellungnahme des Berufungsklägers zu dem Hinweisbeschluss des Gerichts erwidert hat, bevor ihm die abschließende Entscheidung des Gerichts zugegangen ist.
Normenkette
ZPO §§ 91, 522 Abs. 2; RVG-VV Nr. 3200
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 28.01.2008; Aktenzeichen 9 O 20/07) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 6.2.2008, bei dem LG Hannover eingegangen am 7.2.2008, gegen den am 5.2.2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers der 9. Zivilkammer des LG Hannover vom 28.1.2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert beträgt 206 EUR.
Gründe
Die gemäß den §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Rechtspfleger des LG Hannover hat im Rahmen der Kostenfestsetzung auf Beklagtenseite im Ergebnis zu Recht eine Verfahrensgebühr gem.
Nr. 3200 VV-RVG i.H.v. 1,6 in Ansatz gebracht. Die Beklagte kann von der Klägerin nicht lediglich Erstattung einer 1,1 Gebühr nach Nr. 3201 VV-RVG verlangen.
Zwar ist das Rechtsmittel nicht schon deshalb unbegründet, weil eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3200 VV-RVG i.H.v. 1,6 entsteht, sobald ein Sachantrag gestellt worden ist, also erst recht im vorliegenden Fall, in dem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 5.12.2007 seinen bereits vor Zustellung der Berufungsbegründung angekündigten Antrag auf Zurückweisung der Berufung in einem weiteren Schriftsatz begründet hat.
Die Frage, ob eine Gebühr entstanden ist und daher eine Vergütungspflicht des Auftraggebers (im Innenverhältnis) besteht, ist allerdings von der Frage zu unterscheiden, ob diese Gebühr zu den von dem Gegner zu erstattenden Kosten gem. § 91 ZPO gehört und zu Lasten des Gegners festgesetzt werden kann.
Erstattungsfähig sind gem. § 91 Abs. 1 ZPO nur diejenigen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendig waren. Ob eine Maßnahme notwendig war, richtet sich zunächst grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf also ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. BGH FamRZ 2004, 866 f., zitiert nach JURIS Rz. 27). Dieses Recht der Partei gilt indes nicht schrankenlos. Die Partei ist verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie bei einem Obsiegen vom Gegner erstattet haben will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH NJW 2007, 2257; BVerfG NJW 1990, 3072, 3073; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rz. 12). § 91 ZPO bringt insoweit das Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung zum Ausdruck, welches als Ausprägung des die gesamte Privatrechtsordnung und das Prozessrecht beherrschenden Prinzips von Treu und Glauben wie auch der Schadensminderungspflicht i.S.v. § 254 BGB verstanden wird (vgl. MüKo/Giebel, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rz. 38). Der prozessuale Erstattungsanspruch besteht daher nur in den Grenzen einer sparsamen, nicht aber der einer optimalen Prozessführung (vgl. OLG Jena OLG-NL 2006, 207, 208; MüKo/Giebel, a.a.O.).
Dies zugrunde gelegt ist unter Berücksichtigung aller (konkreten) Umstände des Einzelfalls (vgl. OLG München NJW-RR 1998, 1692, 1693) die Erstattungsfähigkeit einer 1,6 Verfahrensgebühr für die Durchführung der Berufung zu bejahen (im Gegensatz zu der abweichenden Fallkonstellation, die dem zur Veröffentlichung vorgesehen Beschluss des Senats vom 18.2.2008 - 2 W 41/08 - zugrunde lag).
Zwar bestand weder zum Zeitpunkt des Einganges des im Schriftsatz der Klägerin vom 29.10.2007 enthaltenen Zurückweisungsantrags am 30.10.2007 noch zum Zeitpunkt des Einganges des Schriftsatzes vom 5.12.2007, mit dem die Klägerin ihren Zurückweisungsantrag begründet hat, mit Rücksicht auf das Gebot einer sparsamen kostenschonenden Prozessführung keine Veranlassung, entsprechende anwaltliche Maßnahmen zu ergreifen.
Etwas anderes galt aber für die Zeit nach Zugang der Stellungnahme der Berufungsklägerin vom 17.12.2007.
a) Soweit es den Antrag zur Zurückweisung des Antrags im Schriftsatz vom 29.10.2007 betrifft, war dieser nicht notwendig i.S.v. § 91 ZPO, weil er zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Berufungsbegründung der Beklagtenseite noch gar nicht vorlag. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine Veranlassung, mit der Verteidigungsanzeige zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung der Berufung anzukündigen, weil eine inhaltliche Auseinanderset...