Leitsatz (amtlich)
1. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht anzunehmen, dass eine vorgefertigte Kündigungserklärung, die im Wesentlichen aus dem Satz „hiermit kündigen wir die bei Ihnen bestehende Versicherung zum 1.1.2002” besteht und im Hinblick auf die zu kündigenden Versicherungsverträge noch ergänzt werden muss, geeignet ist, Vorstandsmitglieder des Versicherten zu einem unüberlegten Vertragsabschluss mit einer neuen Versicherung zu veranlassen oder ihre Entscheidungsfreiheit unzumutbar einzuengen.
2. Es liegt auch kein unlauteres Verhalten vor, wenn der Vorsitzende eines Ortsverbandes des Versicherten den Vorständen der Bezirksverbände Versicherungen eines Unternehmens, für das er gewerblich als Vertreter tätig wird, anbietet, wenn er offen als Vertreter der Versicherung auftritt und nicht ersichtlich ist, dass die angesprochenen Vorstandsmitglieder der Bezirksverbände sich durch einen Hinweis auf seine Verbandstätigkeit gebunden fühlen können.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
LG Stade (Aktenzeichen 8 O 2/02) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des LG Stade vom 5.4.2002 wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
A. Die Verfügungsklägerin (Klägerin) ist Kfz-Versicherer des DLRG-Landesverbands … sowie der diesem angeschlossenen 7 rechtlich selbstständigen Bezirksverbände. Der Verfügungsbeklagte (Beklagte) ist Vorsitzender des DLRG-Verbands … und Versicherungsvertreter für die LVM Versicherungen. Der Landesverband … beschloss im September 2001, den Vertrag mit dem Versicherungsmakler …, der bis dahin Versicherungsverträge zwischen den DLRG-Verbänden in … und der Klägerin vermittelt hatte, aufzulösen und eine Zusammenarbeit mit dem Beklagten anzustreben. Im Einvernehmen mit dem Landesverband hatte der Beklagte die Bezirksverbände bereits unter dem 27.8.2001 ein besonderes Versicherungsangebot der LVM-Versicherungen für DLRG-Fahrzeuge informiert. Unter dem 23.11.2001 übersandte der Beklagte den Bezirksverbänden des DLRG in … ein Schreiben, in dem es heißt:
„Ich wende mich heute an Sie, um Sie auf die Kündigungsmöglichkeit Ihrer Kfz-Anhänger- und Trailerversicherungen hinzuweisen.
Nach einem weiteren Gespräch mit dem LV …… wurde eine Zusammenarbeit zwischen der DLRG im Bereich … und unserem Servicebüro vereinbart. Ich selbst bin seit vielen Jahren Vorsitzender der DLRG in … und habe die Rahmenverträge mit dem DLRG-Präsidium vereinbart. Daher sehen die Kam. … und Kam. … mich als den richtigen Partner in Versicherungsfragen für die DLRG.
…
Weiterhin ist es wichtig, die Versicherungen Kfz und Anhänger bei einem Versicherungswechsel bis zum 30.11.2001 zu kündigen!
Ich habe Ihnen aus diesem Grund eine vorbereitete Kündigung beigefügt. Sollten Sie nicht bei der …-Versicherung (Klägerin) Ihre Versicherungsverträge haben, so verwenden Sie bitte das Schreiben als Kündigungsvorlage.
…”
Diesem Schreiben war jeweils eine vorbereitete Kündigungserklärung beigefügt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, das Verhalten des Beklagten stelle eine Form des unzulässigen Behinderungswettbewerbs dar. Durch die Verwendung vorformulierter Kündigungsschreiben bestehe die Gefahr, dass die Kunden das Für und Wider der Kündigung der mit der Klägerin bestehenden Versicherungen nicht mit der gebotenen Sorgfalt abwägten. Das Verhalten des Beklagten sei daher sittenwidrig i.S. des § 1 UWG. Außerdem habe der Beklagte gegen § 1 UWG i.V.m. Nr. 56 der Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft verstoßen, nach denen es unzulässig sei, vorgedruckte Kündigungsschreiben zu verwenden oder Versicherungsinteressenten vor Unterzeichnung vorzulegen.
Das LG hat dem Beklagten auf Antrag der Klägerin durch Beschlussverfügung unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel untersagt,
a) an die Klägerin gerichtete vorformulierte Kündigungsschreiben für Versicherungsnehmer zu erstellen und/oder zu verbreiten, wie Bl. 3, 4 d.A. abgebildet (Schreiben vom 23.11.2001 mit Kündigungsformular),
b) in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des DLRG … und unter Hinweis darauf Bezirksverbänden des DLRG des Landesverbandes … Versicherungen der LVM anzubieten.
Im Widerspruchsverfahren hat das LG die Beschlussverfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter.
B. Die Berufung ist unbegründet.
I. Das LG hat beide Unterlassungsansprüche zu Recht verneint.
1. Verbot der Erstellung/Verbreitung der vorformulierten Kündigungsschreiben
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.
Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs. Deshalb ist das Bestimmen zu ordnungsgemäßer Vertragsauflösung unter Beachtung der Kündigungsfristen wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig wird das Abwerben vertraglich an einen Mitbewerber gebundenen Kunden erst dann, wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten (BGH VersR 2002, 633 [634]). Bei...