Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Angabe eines Grundpreises bei der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln in Kapselform.
Leitsatz (amtlich)
Ein Nahrungsergänzungsmittel, das sich aus verschiedenen Komponenten - insbesondere verschiedenen Wirk- und Füllstoffen - zusammensetzt und das in dieser konkreten Zusammensetzung in einer Art und Weise vorportioniert vertrieben wird, dass diese Einteilung in Portionen üblicherweise nicht aufgehoben wird, wird nach der Verkehrsanschauung stückweise abgegeben. Insoweit besteht keine Pflicht, einen Grundpreis anzugeben.
Normenkette
EUV 1169/2011 Art. 9 Abs. 1 Buchst. e; EUV 1169/2011 Art. 23 Abs. 1 Buchst. b; EUV 1169/2011 Art. 23 Abs. 3 Anh 9 Nr. 1 Buchst. c; EUV 1169/2011 Art. 23 Abs. 3 Anh 9 Nr. 4; FertigPackV § 7 Abs. 2; PAngV § 2 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 4 Nr. 2; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, §§ 3a, 8 Abs. 3 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 15.03.2019; Aktenzeichen 11 O 6/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Lüneburg vom 15. März 2019 abgeändert und der auf den Erlass dieser Verfügung gerichtete Antrag des Verfügungsklägers zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.
Gründe
I. Der Verfügungsbeklagte vertreibt als Apotheker unter anderem ein kapselförmiges Aminosäurepräparat über das Internet, ohne in der Werbung in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis auch den Grundpreis anzugeben. Der Verfügungskläger nimmt ihn insoweit im Wege einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.
Von einer Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet. Der vom Landgericht zuerkannte Verfügungsanspruch besteht nicht. Er folgt insbesondere nicht aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1
S. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV.
1. Es kann offenbleiben, ob der Verfügungskläger nach § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert ist, insbesondere als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu dem Verfügungsbeklagten steht. Zwar bieten sowohl der Verfügungskläger, der unter anderem einen Online-Shop für Sportlernahrung, und der Verfügungsbeklagte, der unter anderem Apotheken betreibt, Nahrungsergänzungsmittel an. Die beteiligten Unternehmen müssen aber auf demselben unter anderem sachlich relevanten Markt tätig sein oder zumindest tätig werden wollen, wobei die Austauschbarkeit der fraglichen Produkte anhand der konkreten Werbemaßnahme zu beurteilen ist (Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37 Aufl., § 2
Rn. 108a), wofür erforderlich ist, dass die angebotenen Waren sich nach ihren Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahestehen, dass sie der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Nachfrager als austauschbar ansieht (Köhler a.a.O. Rn. 108b).
Diese Austauschbarkeit erscheint dem Senat zweifelhaft. Das Angebot des Verfügungsklägers richtet sich sowohl nach seiner Aufmachung als auch nach den Beschreibungen und Bezeichnungen insbesondere der meisten der angebotenen Aminosäure-Produkte (z.B. "O.A.A.", "A.V.A.", "A.S.A.", "B.B.H.A.", "B.A.", "P.M.A.") gezielt an Sportler - insbesondere Bodybuilder. Das Angebot des Verfügungsbeklagten als Betreiber eine Apotheke richtet sich demgegenüber jedenfalls schwerpunktmäßig an Menschen, die Defizite bei der Nahrungsaufnahme ausgleichen wollen. Beispielsweise wird das konkret streitgegenständliche Produkt ausweislich der Anlage ASt 1 beworben als "ideal, wenn Sie auf die natürlichen Aminosäure-Lieferanten wie zum Beispiel Fisch, Fleisch oder Milchprodukte verzichten müssen" und wird wie folgt näher beschrieben: "Bei einer unzureichenden Zufuhr an Aminosäuren kann die Ernährung mit D. A. V. gezielt ergänzt werden", wobei nicht zu verkennen ist, dass die im Internet abrufbare Herstellerbeschreibung auch Personen mit "starker körperlicher Belastung" anspricht. Auch der von dem Verfügungskläger als Anlage Ast 19 vorgelegte "Test" beschreibt das hier streitgegenständliche Produkt - anders als die meisten anderen der dort beschriebenen Produkte - nicht ausdrücklich als geeignet für den Einsatz im Sportbereich, sondern vielmehr als "idealer Begleiter im Alltag und Unterstützer bei zu einseitiger, eiweißarmer Ernährung".
2. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV hat derjenige, der Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren u.a. in Fertigverpackungen nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit (...) (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben. Diese Regelung stellt eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Verbraucher im Sinne des § 3a UWG dar (BGH, Urteil vom 28. März 2019 - I ZR 85/18, juris Rn. 13).
Der Verfügungsbeklagte hat hiergegen aber nicht verstoßen, indem er es unterlasse...