Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigenhaftung. Einholung eines Privatgutachtens zum Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Gerichtsgutachtens als Rechtsmittel bei der Schadensabwendungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Als Rechtsmittel im Sinne von § 839a Abs. 2 BGB i. V. m. § 839 Abs. 3 BGB ist auch die Einholung eines Privatgutachtens zu dem Zwecke anzusehen, die angebliche Fehlerhaftigkeit des Gerichtsgutachtens gegenüber dem erkennenden Gericht aufzuzeigen.
Normenkette
BGB § 839 Abs. 3, § 839a Abs. 2
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 16.03.2011) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Lüneburg vom 16. März 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Erstattung eines seines Erachtens unrichtigen Gutachtens in einem Rechtsstreit in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Celle.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers schon daran scheitere, dass dem Beklagten kein grob fahrlässiger Pflichtenverstoß vorgeworfen werden könne. Es könne dem Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er vor den Messfahrten nicht die von V. vorgegebenen Grundeinstellungen vorgenommen habe. Die Vornahme dieser Grundeinstellungen wäre bereits ein ggf. verändernder Eingriff gewesen. Die Vornahme eines derartigen Eingriffs sei unter den gegebenen Umständen fernliegend gewesen. Dem Beklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er sich nicht bei V. nach dem vom Kläger beschriebenen Mangel erkundigt habe. Es treffe ferner nicht zu, dass der Beklagte nach der Mitteilung seines Bruders, dass dieser ein Anheben und Absenken des Fahrzeugs beobachtet habe, diesem nicht weiter nachgegangen sei. Dem Beklagten könne weiterhin nicht vorgeworfen werden, vor der Messung den Fehlerspeicher nicht gelöscht zu haben. Mit dieser Problematik habe sich der Beklagte in seinem Gutachten und in der mündlichen Anhörung ausführlich und überzeugend auseinandergesetzt. Dass im Gutachten nicht sämtliche Einzelheiten der Versuchsfahrten hinsichtlich der gewählten Modi, des Reifendrucks, der Wetter- und Straßenverhältnisse, des genauen Zeitpunkts der Messfahrten und des jeweiligen Kilometerstandes aufgeführt seien, stelle keine schwere Sorgfaltspflichtverletzung dar. Schließlich stelle auch die vorgetragene lange Bearbeitungsdauer nebst Sachstandsanfragen keine grob fahrlässige Pflichtverletzung dar.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Der Kläger wiederholt und vertieft zunächst sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Er meint, dass die von ihm behaupteten Fehler des Beklagten bei der Erstellung des Gutachtens entgegen der Auffassung des Landgerichts eine grobe Fahrlässigkeit begründen würden. Ein Privatgutachten zur Erschütterung des gerichtlichen Gutachtens einzuholen, sei ihm nicht möglich gewesen. Bis zum 20. April 2010 habe er nicht die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug inne gehabt. Die Informationen von V., welche als Anlage K 4 vorgelegt wurden, habe er erst lange nach Abschluss des Vorverfahrens erhalten.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Lüneburg vom 16. März 2011 (Gesch.-Nr.: 5 O 331/10) den Beklagten zu verurteilen, an ihn 50.000 € nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. Juli 2010 sowie 790 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen und
2. festzustellen, dass der Beklagte ihm sämtliche Schäden zu ersetzen hat, welche ihm durch das fehlerhafte Gutachten des Beklagten, das er im Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Celle (Geschäfts-Nr. 7 U 71/07) bezüglich des Fahrzeuges VW Touareg 5.0 V10 TDI (Fahrzeug-Ident.-Nr.) erstellt hat, entstanden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Die Akte OLG Celle - 7 U 71/07 hat der Senat beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Auf die im vorliegenden Rechtsstreit gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere das seitens des Klägers als Anlage K 17 vorgelegte Privatgutachten des Dipl. Ing. T. vom 9. März 2011, sowie auf die in dem Verfahren OLG Celle - 7 U 71/07 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift vom 11. Juni 2009 sowie das Urteil vom 24. Juni 2009...