Leitsatz (amtlich)

1. Als "Rechtsmittel" i.S.v. § 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB ist grundsätzlich auch die Einholung eines Privatgutachtens zur Widerlegung eines - für die betroffene Partei ungünstiges - gerichtlichen Gutachtens anzusehen.

2. Im Einzelfall kann es - insbesondere aus finanziellen Gründen - für die betroffene Partei unzumutbar sein, ein derartiges Privatgutachten einzuholen. Darlegungs- und beweispflichtig für einen derartigen Ausnahmefall ist die den Anspruch nach § 839a BGB verfolgende Partei.

 

Normenkette

BGB §§ 839a, 839 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 11.06.2013; Aktenzeichen 2 O 1/13)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.07.2017; Aktenzeichen III ZR 440/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Hannover vom 11.6.2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen der Erstattung eines - seines Erachtens nach unrichtigen - vom Gericht beauftragten Sachverständigengutachtens in einem Zivilrechtsstreit aus dem Jahr 2008.

Der Kläger, ein ehemaliger Amtsrat bei einer Berufsgenossenschaft, schloss mit Wirkung zum 1.8.2004 eine Risiko-Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft ab. Der Kläger nahm diese im Jahr 2008 vor dem LG Hannover klageweise auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch. Auf Anordnung der Kammer erstattete der hiesige Beklagte in jenem Verfahren ein Gutachten, in dem dieser den hiesigen Kläger im Ergebnis als nicht berufsunfähig einstufte. Das LG wies - unter Berufung auf das Gutachten des Beklagten - die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers wurde vom Oberlandesgericht Celle zurückgewiesen. Eine zunächst beim Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nahm der Kläger, ohne diese zuvor begründet zu haben, wieder zurück.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, soweit das streitgegenständliche Gutachten des hiesigen Beklagten objektiv unrichtig gewesen sein sollte, sei jedenfalls kein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten feststellbar. Zudem sei das tatsächliche Vorbringen des Klägers zu den Verfehlungen des Beklagten teilweise substanzlos, teilweise fuße es auf unzutreffenden Vorstellungen über die Sachverständigenpflichten. Soweit die von dem Kläger vorgebrachten Tatsachen im Übrigen aber den Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens tragen würden, habe er sie nicht in geeigneter Weise unter Beweis gestellt (was sodann im Einzelnen ausgeführt wird). Schließlich entfiele eine Haftung des Beklagten aber selbst dann, wenn diesem der Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens träfe, da der Kläger es in dem zurückliegenden Rechtsstreit schuldhaft versäumt habe, durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Berichtigung des seiner Meinung nach unrichtigen Sachverständigengutachtens des Beklagten im Vorverfahren hinzuwirken.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Hannover vom 11.6.2013, Az.: 2 O 1/13, wird abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt, an den Kläger 86.976,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit und auf jeweils weitere 1.394,86 EUR seit dem 1.1.2007, 1.2.2007, 1.3.2007, 1.4.2007, 1.5.2007, 1, Juni 2007, 1.7.2007, 1.8.2007, 1.9.2007, 1.10.2007, 1.11.2007, 1.12.2007, 1.1.2008, 1.2.2008, 1.3.2008, 1.4.2008, 1.5.2008, 1.6.2008, 1.7.2008, 1.8.2008, 1.9.2008, 1.10.2008, 1.11.2008, 1.12.2008, 1.1.2009, 1.2.2009, 1.3.2009, 1.4.2009, 1.5.2009, 1.6.2009, 1.7.2009, 1.8.2009, 1.9.2009, 1.10.2009, 1.11.2009, 1.12.2009, 1.1.2010, 1.2.2010, 1.3.2010, 1.4.2010, 1.5.2010, 1.6.2010, 1.7.2010 und 1.8.2010 sowie auf 25.673,78 EUR ab Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens nebst Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. med. Dipl.-Psych. R. sowie der mündlichen Anhörung des Sachverständigen. Ferner hat der Senat die Parteien nach § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnah...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge