Leitsatz (amtlich)
Soweit ein Presseunternehmen lediglich Äußerungen eines Dritten veröffentlicht und hierbei keine eigene Meinung äußert, ist zwar nicht die Meinungsfreiheit des Presseorgans betroffen, jedoch kann es sich auf die Pressefreiheit berufen, welche den Schutz, den die Äußerung des Dritten durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG genießt, einschließt.
Normenkette
GG Art. 1-2, 5; BGB §§ 823, 1004
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 22.10.2014; Aktenzeichen 8 O 307/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 22.10.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Verden teilweise abgeändert und der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insgesamt zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungen hat der Verfügungskläger zu tragen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird bis zum 26.2.2015 auf 20.000 EUR und für die Zeit danach auf 10.000 EUR festgesetzt.
Der Streitwert für die erste Instanz wird - den im am 28.10.2014 verkündeten Urteil des LG enthaltenen Streitwertbeschluss von Amts wegen abändernd - auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 542 Abs. 2 Satz 1, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Verfügungsbeklagten ist begründet. Der erforderliche Verfügungsanspruch ist nicht gegeben.
Der Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers gegen die Verfügungsbeklagten wegen der Veröffentlichung des Artikels "Bezahlt und im Stich gelassen" in der Ausgabe der Zeitung "D. H." vom 26.9.2014 sowie im Online-Portal unter ##### ist nicht gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit
Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG begründet.
1. Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten ist der Verfügungskläger in dem Artikel vom 26.9.2014 hinreichend deutlich erkennbar.
Der Einwand der Verfügungsbeklagten, das LG habe die Anforderungen an die Erkennbarkeit des Verfügungsklägers verkannt, greift nicht durch. Die Erkennbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des Leser- oder Adressatenkreises aufgrund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar wird. Es kann die Wiedergabe von Teilinformationen genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (BGH, Urteil vom 21.6.2005 - VI ZR 122/04, juris Rn. 10; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 13 Rn. 37). Dabei reicht aus, wenn die Erkennbarkeit in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis bzw. in der näheren persönlichen Umgebung besteht (BGH, Urteil vom 21.6.2005, a.a.O.; Soehring in Soering/Hoene, a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen ist eine Erkennbarkeit des Verfügungsklägers gegeben.
Zwar wird der Verfügungskläger nicht namentlich benannt, aber durch die Nennung seiner Berufstätigkeit und seines Praxissitzes ausreichend konkret beschrieben. Zudem ist in dem Artikel ausgeführt, dass es sich bei dem die krebskranke W. M. behandelnden Arzt um einen "N. Spezialisten" handelt, der im weiteren Text als "Onkologe" bezeichnet ist. Der Verfügungskläger hat unbestritten vorgetragen, dass er der einzige niedergelassene Facharzt für innere Medizin mit der Schwerpunkbezeichnung Onkologie in N. ist. Dies hat er zudem mit dem Ausdruck des Suchergebnisses bei Google mit dem Suchwort "N. Onkologe" (Anlage AST 2) ausreichend glaubhaft gemacht. Daraus ergibt sich, dass der Verfügungskläger unter den ersten 10 Suchergebnissen als einzig namentlich genannter Onkologe in N. aufgeführt wird. Weiterhin ist die von ihm behandelte Patientin W. M. namentlich genannt, so dass sowohl Leser aus dem familiären Umfeld der Patientin als auch Mitarbeiter des Verfügungsklägers anhand dieser Angaben, den in dem Artikel beschriebenen behandelnden Arzt auf den Verfügungskläger zurückführen können.
Dahingestellt bleiben kann es daher, ob sich die Erkennbarkeit des Verfügungsklägers auch aufgrund des vorangegangenen am 26.8.2014 veröffentlichten Artikels "Das Leben mit der Ungewissheit", in dem der Verfügungskläger namentlich benannt worden ist, zurückführen lässt. Dafür spricht jedenfalls, dass in dem streitgegenständlichen Artikel vom 26.9.2014 ausdrücklich auf den vorherigen Artikel vom 26.8.2014 Bezug genommen wird, in dem es eingangs heißt: "Der Artikel über die krebskranke E. M. aus R.-L. war für die B. W. M. Auslöser, sich ebenfalls bei der H. zu melden." Dabei ist zu berücksichtigen, dass der erstveröffentlichte Artikel im Online-Portal der Verfügungsbeklagten weiterhin abrufbar war.
2. Die individuelle Betroffenheit des Verfügungsklägers ist gegeben. Es ist unstreitig, dass in dem Zeitungsartikel über den Verfügungskläger berichtet worden ist.
3. Dem Unterlassungsanspruch steht entgegen, dass es sich bei der Äußerung, deren Unterlassung der Verfügungskläger begehrt, nicht um eine solche der Verfügungsbeklagten, sondern um eine Äußerung der Patientin W. M. handelt.
Die vom Verfügung...