Leitsatz (amtlich)
Die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses ist im Berufungsverfahren auch dann zuzulassen, wenn die Dürftigkeit des Nachlasses streitig ist, sofern das Berufungsgericht den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung ausspricht, ohne dessen sachlichrechtliche Voraussetzungen zu prüfen.
Normenkette
ZPO § 531 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 17.06.2009; Aktenzeichen 12 O 39/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17.6.2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und die Klage weiter abgewiesen, soweit der Beklagte verurteilt ist, an die Klägerin mehr als 90.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.3.2009 zu zahlen. Dem Beklagten wird als Erben die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass der am 29.5.2008 verstorbenen G. C. vorbehalten. Dieser Vorbehalt betrifft nicht die Kostenentscheidung.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 28 % und der Beklagte 72 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils für die jeweils andere Partei vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz und für das Berufungsverfahren auf 124.755,21 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Wertersatz als beeinträchtigte Vermächtnisnehmerin.
Durch notariellen Erbvertrag zwischen der am 29.5.2008 verstorbenen G.C. und deren am 25.3.2003 vorverstorbenen Ehemannes K.H.C. sowie den Parteien, deren Abkömmlingen, vom 24.2.1995 setzten die Erblasserin und ihr Ehemann einander als alleinige Vollerben und den Beklagten als Erben des Überlebenden von ihnen ein. Der Klägerin, die auf Erb und Pflichtteilsansprüche nach den Testierenden verzichtete, vermachten diese nach dem Tode des Überlebenden von ihnen ihre je hälftigen Miteigentumsanteile an ihrer Eigentumswohnung in L. Aufgrund notariellen Vertrages vom 4.11.1999 veräußerten die Testierenden diese Eigentumswohnung, das Inventar nicht mitgerechnet, für 244.000 DM.
Die Klägerin hat diesen Betrag, umgerechnet 124.755,21 EUR, nebst Rechtshängigkeitszinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten klageweise geltend gemacht. - Der Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Er hat vorgetragen, die Testierenden hätten die Eigentumswohnung veräußern müssen, um ihren angemessenen Lebensunterhalt weiter bestreiten zu können. die Wohnung sei beim Tode der Erblasserin nur 90.000 EUR wert gewesen. der Nachlass der Erblasserin habe aus einer Forderung gegen die Sparkasse von rund 4.500 EUR, einer Münzsammlung im Wert von etwa 3.000 EUR und Hausrat im Wert von etwa 1.500 EUR bestanden. dies sei das, was er von seinen Eltern geerbt habe.
Das LG hat den Beklagten bis auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten antragsgemäß verurteilt. - Gegen dieses Urteil wendet der Beklagte sich mit der Berufung, mit welcher er sein Ziel weiterverfolgt. In der Berufungsbegründung trägt er vor, das LG hätte der Klägerin allenfalls als Wertersatz zusprechen dürfen, was die Erblasserin ihm - dem Beklagten - hinterlassen habe. Mit weiterem Schriftsatz legt er Protokoll über die Eröffnung des Erbvertrages nach der Erblasserin am 6.7.2009 und seine Ausschlagungserklärung vom 28.8.2009 vor. Daraus leitet er ab, der Klägerin nichts zu schulden, weil er nicht Erbe der Erblasserin sei. Die Klägerin zugesteht nunmehr, dass die Eigentumswohnung im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin 90.000 EUR wert gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens verweist der Senat auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II. Die Berufung ist teilweise begründet.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Ersatz des Wertes, welchen das Wohnungseigentum in L., das der Erblasserin und deren vorverstorbenen Ehemann bis 1999 je zur ideellen Hälfte gehörte, beim Tode der Erblasserin am 29.5.2008 hatte - nämlich 90.000 EUR, wie von ihr in der Berufungsinstanz zugestanden, aus vertragsmäßigen Vermächtnissen des Ehemannes, aufschiebend bedingt durch das Längerleben der Klägerin als die Erblasserin, und der Erblasserin (§ 2170 Abs. 2 Satz 1, § 2288 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB).
a) Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann haben die Vermächtnisgegenstände in der Absicht veräußert, die Klägerin als mit ihnen Bedachte zu beeinträchtigen. Zu dieser Annahme genügt, dass der Beklagte das lebzeitige Eigeninteresse der Eltern der Parteien an der Veräußerung im Jahre 1999 nicht hinreichend dargetan hat. Seinem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die Eltern, ohne die Wohnung zu veräußern, ihren angemessenen Lebensunterhalt nicht weiter hätten bestreiten können. Aus diesem Vorbringen geht h...