Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Kraftfahrzeug in seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel entladen, handelt es sich um einen Betrieb im Sinne von § 7 StVG.
2. Bei dem Betrieb im Sinne von § 8 StVG ist auch derjenige tätig, der sich durch seine Tätigkeit freiwillig den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs aussetzt. Dazu gehört auch derjenige, der beim Abladen von Ladegut aus einem Kraftfahrzeug tätig wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Helfende in den Betrieb des Kraftfahrzeughalters eingegliedert ist, ebenso wenig darauf, ob die Hilfe entgeltlich geschah oder nicht. Es ist aber eine gewisse Intensität des Tätigwerdens beim Betrieb erforderlich.
Normenkette
StVG §§ 7-8
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 10.12.1998; Aktenzeichen 4 O 330/98) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.12.1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hildesheim wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 13.000 DM abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten in gleicher Höhe Sicherheit leisten. Die Klägerin kann die Sicherheit auch durch selbstschuldnerische, schriftliche und unwiderrufliche Bankbürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Bankinstituts stellen. Die Beklagten ihrerseits können die Sicherheit durch eine selbstschuldnerische, schriftliche und unwiderrufliche Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse leisten.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 121.407,94 DM.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus übergegangenem Recht nach § 116 SGB X von den Beklagten Schadensersatz für Aufwendungen, die sie für den Mitarbeiter A. der Druckerei D. in W., deren Berufsgenossenschaft die Klägerin ist, erbracht hat. Der Beklagte zu 1), der der Halter des Lkw mit dem Sattelauflieger ist und dessen Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 2) ist, hatte als Frachtführer in Paletten gebündeltes Papier von G. zur Druckerei D. transportiert. Der Beklagte zu 1) und A. waren damit beschäftigt, von dem auf dem Betriebsgelände der Druckerei geparkten Fahrzeug die jeweils 500 kg bis 600 kg schweren Paletten abzuladen, wobei sich beide auf der Ladefläche befanden. Mittels eines von der Druckerei gestellten, manuell zu betreibenden Hubwagens waren die beiden dabei, zwei übereinander gestapelte Paletten bis hin zur Laderampe zu bewegen, wo sie von einem ebenfalls von der Druckerei gestellten Gabelstapler übernommen werden sollten. Hierbei kippte plötzlich die obere Palette um, wodurch der noch auf der Ladefläche befindliche A. schwere Verletzungen, u.a. einen Beckenbruch, davontrug. Nach den polizeilichen Feststellungen war die rechte Oberkante der unteren Palette im Sicherungsrahmen defekt, was zum Umkippen der oberen Palette geführt haben soll. Diese Beschädigungen sind nach den jetzigen Behauptungen der Klägerin (vgl. ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 7.1.2000) während des Transports von … nach … erfolgt.
Die Klägerin hat in erster Instanz 94.563,98 DM eingeklagt. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Unfall nicht beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs eingetreten sei und für ein Verschulden des Beklagten zu 1) nichts vorgetragen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter teilweiser Klageerweiterung beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 121.407,94 DM nebst 4 % Zinsen auf 85.239,88 DM seit dem 8.8.1996 sowie auf weitere 36.168,06 DM seit dem 10.1.2000 zu zahlen, hilfsweise ihr zu gestatten, als Sicherheitsleistung eine Bankbürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Bankinstituts zu stellen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise ihnen zu gestatten, als Sicherheit die Bürgschaft einer Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen zu dürfen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Allerdings hat sich der Unfall entgegen der Ansicht des LG „bei dem Betrieb” eines Kraftfahrzeuges i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ereignet. Voraussetzung für eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine besteht. Eine Verbindung mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ist danach weiterhin gegeben, während das Kraftfahrzeug in einem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel entladen wird (vgl. BGH v. 5.7.1988 – VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65 [67] = MDR 1988, 1047). Hierbei sind auch die von dem Ladegut selbst ausgehenden Gefahren vom Schutzbereich des § 7 Abs. 1 StVG mitumfasst (BGH v. 5.7.1988 – VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65 [67] = MDR 1988, 1047). Dann aber kann es nicht zweifelhaft sein, dass der beim Abladen der Paletten mittätige A. „bei dem Betrieb” eines Kraftfahrzeugs verletzt worden ist. Denn ...