Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 3 O 102/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 9. Dezember 2021 wie folgt abgeändert:

Das klageabweisende Versäumnisurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 2. März 2021 wird aufrechterhalten.

II. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf bis 16.000,00 EUR festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten unter anderem die Erstattung des Kaufpreises im Zusammenhang mit der Betroffenheit ihres Fahrzeuges vom sog. "Dieselskandal".

Sie erwarb am 11. April 2014 von dem Autohaus S. einen Volkswagen Touran Comfortline (FIN: ...) mit einer Laufleistung von 0 km zu einem Kaufpreis von 31.850,00 EUR (brutto) bzw. 26.764,71 EUR (netto) (Anlage K1 = Anlagenband Klägerin). Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet, welcher in Deutschland den sog. "VW-Dieselabgasskandal" ausgelöst hat. Am 15. Februar 2019 hat die Klägerin das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 76.285 km zu einem Kaufpreis von 10.500,00 EUR weiterveräußert; ferner heißt es in dem Kaufvertragsformular: "24.5.19: 87.000 km" (Anlage K35 = Bl. 227 Bd. I d.A.).

Die Klägerin hat sich am 29. Dezember 2018 zur Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig (Az. 4 MK 1/18) angemeldet und die Anmeldung am 28. September 2019 zurückgenommen.

Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung gerichteten Klage zunächst durch Versäumnisurteil vom 2. März 2021 (Bl. 181 ff. Bd. I d.A.) abgewiesen. Gegen das ihr am 8. März 2021 zugestellte Urteil (Bl. 200 Bd. I d.A.) hat die Klägerin am 22. März 2021 Einspruch eingelegt (Bl. 202 Bd. I d.A.). Daraufhin hat das Landgericht der Klage mit Urteil vom 9. Dezember 2021 (Bl. 297 ff. Bd. II d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe verwiesen wird (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), im Wesentlichen stattgegeben. Die Klägerin habe keinen durchsetzbaren Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB oder gem. §§ 311, 241 Abs. 2 BGB, weil die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen begonnen und mit Ablauf des Jahres 2018 geendet habe. Die Zustellung der Klage sei in verjährter Zeit erfolgt und die Hemmung durch die Musterfeststellungsklage habe sechs Monate nach der Abmeldung am 28. September 2019 und damit am 28. März 2020 geendet. Der Zahlungsanspruch folge allerdings aus § 852 Satz 1 BGB. Von dem Kaufpreis sei zunächst der Weiterverkaufserlös (10.500,00 EUR) abzuziehen und eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.718,71 EUR zu berücksichtigen, so dass sich ein Betrag in Höhe von 11.631,29 EUR ergebe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Schadensersatzansprüche der Klägerin seien verjährt und es bestehe kein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB. Die Vorschrift scheide aus, weil ein wirtschaftlicher Schaden der Klagepartei nicht feststellbar sei. Ferner entspreche der Vermögensvorteil der Beklagten dem erzielten Nettogewinn und nicht dem - vom Landgericht herangezogenen - Kaufpreis. Das Landgericht habe auch bereicherungsmindernde Abzugsposten nicht in Ansatz gebracht, die den Anspruch auf Null reduzieren würden. Bei der Berechnung des Nutzungsvorteils habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin das Fahrzeug als Unternehmerin erworben haben, so dass sie die Vorsteuer gezogen habe und der Netto-Kaufpreis zugrunde zu legen sei. Zu Unrecht habe das Landgericht einen Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten bejaht, die nicht erforderlich und zweckmäßig gewesen seien. Jedenfalls sei nur die Schwellengebühr von 1,3 zugrunde zu legen. Auch den Zinsanspruch habe das Landgericht zu Unrecht bejaht.

Die Beklagte beantragt,

das am 9. Dezember 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover, Az. 3 O 102/20 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und das Versäumnisurteil des Landgerichts Hannover vom 2. März 2021, 3 O 103/20, mit dem die Klage vollumfänglich abgewiesen wurde, aufrechtzuerhalten.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die ihr günstige angefochtene Entscheidung als richtig. Die Beklagte habe bei ihr in treuwidriger Weise den Eindruck erweckt, das Fahrzeug und dessen Emissionsminderungssystem würde durch das Software-Update den EU-Vorschriften entsprechen. Mit dem Software-Update sein ein unzulässiges Thermofenster impliziert worden. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Dem stehe die Arglist Einrede entgegen. Außerdem sei es durch die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage zu einer Verjährungshemmung gekommen. Zudem habe die Klägerin erst im Jahr 2016 positive Kenntnis von der konkreten Betroffenheit ihres Fahrzeuges erlangt; im Jahr 2...

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