Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Feststellungen zur Anspruchshöhe in Grundurteil; Bindung des Gerichts für das Betragsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Dass der Umfang der Bindungswirkung eines Grundurteils durch Auslegung zu ermitteln ist, ändert nichts an dem Grundsatz, dass Fragen der Schadenshöhe nicht in Bindungswirkung erwachsen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005 - XI ZR 66/05, Rn. 19, juris).
2. Feststellungen zur Anspruchshöhe sind in einem Grundurteil unzulässig und binden für das Betragsverfahren auch dann nicht, wenn das Gericht eine Bindungswirkung herbeiführen wollte.
3. Die Mangelfreiheit eines Werkes folgt nicht allein daraus, dass einschlägige DIN eingehalten werden. Ein Mangel liegt nicht nur dann vor, wenn das Werk nicht den Regeln der Technik entspricht, sondern auch, wenn es sich nicht zum vertragsgemäßen Zweck eignet, unabhängig davon, ob die anerkannten Regeln der Technik eingehalten worden sind (BGH, Urteil vom 20. April 1989 - VII ZR 80/88, Rn. 18, juris).
Normenkette
BGB § 633; ZPO §§ 304, 318
Verfahrensgang
LG Bückeburg (Urteil vom 19.11.2021; Aktenzeichen 1 O 193/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. November 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg - Az. 1 O 193/18 - wird zurückgewiesen.
Zur Klarstellung wird der Tenor des Urteils des Landgerichts wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage auf Werklohn für die Herstellung barrierefreier Zugänge im Jahr 2018 ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.437,11 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 5.437,11 EUR Werklohn sowie Rechtsverfolgungskosten jeweils nebst Zinsen für Erd-, Pflaster- und Bauarbeiten zur Erstellung eines barrierefreien Zugangs für Rollstuhlfahrer in Anspruch.
Die Beklagte war aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit nicht mehr in der Lage, ihre Terrasse und den Garten voll zu nutzen, sodass sie bei ihrer Krankenkasse die Erstattung der Kosten eines behindertengerechten Umbaus beantragte. Der Zeuge M. K. ist ihr Sohn, der sie pflegt und sich um sämtliche geschäftlichen Belange kümmert (Bl. 28 Bd. I d. A.). Die Arbeiten sollten durch den Kläger erfolgen, der zuvor auf dem Grundstück bereits Arbeiten für die Mutter der Beklagten, die Zeugin D., durchgeführt hatte. Hierzu erstellte der Kläger u. a. eine Rampe mit Fundament. Die Beklagte zahlte den Werklohn trotz Mahnung nicht.
Mit Versäumnisurteil vom 21.12.2018 hat das Landgericht Bückeburg der Klage stattgegeben. Gegen das am 28.12.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit vorab per Fax eingegangenem Schriftsatz vom 10.01.2019 Einspruch eingelegt. Mit angefochtenem Grundurteil vom 19.11.2021 hat das Landgericht festgestellt, dass die Klage auf Werklohn in Höhe von 5.437,11 EUR gerechtfertigt sei, vorbehaltlich eines etwaigen Zurückbehaltungsrechts wegen im Einzelnen bezeichneter Mängel. Die Klageforderung bestehe gemäß § 631 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe nicht bestritten, dass der Kläger mit den Arbeiten beauftragt worden sei. Der Werklohn sei fällig, weil entweder die Beklagte oder ihr Sohn mit ihrem Einverständnis eine Fertigstellungsbescheinigung unterzeichnet hätten. Dies folge aus der Aussage des Zeugen L. Die entgegenstehenden Bekundungen des Zeugen K. überzeugten nicht. Nach den Bekundungen der Zeugin G. sowie der Anhörung des Klägers habe den Arbeiten das schriftliche Angebot vom 28.05.2018 über 5.437,11 EUR zugrunde gelegen (Seite 6 f. LGU). Gewährleistungsrechte wegen des Gefälles, fehlender Radabweiser und eines fehlenden Geländers mit Handlauf kämen nicht in Betracht, weil es hierzu bei privaten Wohngebäuden keine Vorgaben gebe. Die technischen Regelwerke würden nur für öffentlich zugängliche Gebäude gelten. Mängelbeseitigungsansprüche oder Zurückbehaltungsrechte kämen jedoch im Hinblick auf die eingeschränkte Nutzbarkeit der Einfüllstutzen der Tankanlage und abbrechenden Zement in Betracht. Dies hindere jedoch nicht den Erlass eines Grundurteils, sondern nur die Verurteilung zur Zahlung.
Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Rampe für eine Rollstuhlfahrerin u. a. wegen des Gefälles unbrauchbar sei, was aus dem vorgelegten Privatgutachten folge, das zudem weitere Mängel feststelle. Der Beklagte habe eine gefahrlose Benutzung auch zugesichert. Für die Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 11.01.2022 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Beauftragung werde nicht mehr angegriffen, und aufgrund der Abnahme seien Nacherfüllung, Schadensersatz sowie Rücktritt und M...