Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsausfall für Pkw
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach § 7 Abs. 1 StrEG geschuldete Entschädigung geht auf den vollen Ausgleich des erlittenen Vermögensschadens (§ 249 BGB).
2. Ist die Beschlagnahme eines Fahrzeugs entschädigungspflichtig, so richtet sich der Umfang der Entschädigung einschließlich der entgangenen Gebrauchsvorteile (Nutzungsentschädigung) nach den allgemeinen Vorschriften über Schadensersatz.
3. Bei einem (beschlagnahmebedingten) Ausfall eines Pkw von 518 Tagen sind die in der Regulierungspraxis und der Rechtsprechung weithin anerkannten Tabellen von Sanden/Danner als Schätzgrundlage für die Bemessung der Nutzungsentschädigung nach § 287 ZPO in der Regel nicht geeignet.
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 10.12.2003; Aktenzeichen 2 O 205/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.12.2003 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Lüneburg teilweise abgeändert.
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 7.293,02 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.5.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 4/5 dem Kläger und zu 1/5 dem beklagten Land auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können eine Vollstreckung des Gegners durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des 1,2-fachen des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit der Gegner nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,2-fachen des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine Entschädigung für die Einbuße der Gebrauchsmöglichkeit seines Pkw Daimler Benz SL 320 Cabrio, der erstmals am 19.10.1993 zum Straßenverkehr zugelassen wurde. Dieser war im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger am 13.6.2000 wegen des Verdachts auf vorsätzlicher Herbeiführung eines Verkehrsunfalls zum Nachteil des Kfz-Versicherers beschlagnahmt worden. Mit Urteil vom 12.11.2001 sprach das AG Hannover den Kläger frei. Am selben Tage wurde das Fahrzeug freigegeben. Das AG Hannover erkannte dem Kläger mit Beschluss vom 12.4.2002 für die Dauer der Beschlagnahme (13.6.2000 bis 12.11.2001) eine Entschädigung dem Grunde nach zu. Während der Beschlagnahme erlitt das Fahrzeug einen Wertverlust von 3.528 Euro.
Mit Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 20.5.2003 hat das beklagte Land die Entschädigung auf 4.593,50 Euro festgesetzt und diese wie folgt errechnet:
Entwertung 3.528,00 Euro
Sachverständigenkosten 810,59 Euro
Rechtsanwaltskosten 294,91 Euro
Der Kläger hat gemeint, ihm sei für jeden Tag der Beschlagnahme eine Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen, die sich nach dem Tabellenwerk von Sanden und Danner unter Berücksichtigung des Alters des Pkw statt auf 90 Euro auf 80 Euro (eine Gruppe tiefer) täglich berechne. Er hat seinen Restanspruch wie folgt berechnet:
518 Tage × 80 Euro/Tag = 41.440,00 Euro
abzgl. zuerkannter -3.528,00 Euro
abzgl. zuerkannter -810,59 Euro
Klageforderung 37.101,41 Euro
Seinen vom LG aberkannten Anspruch auf Ersatz weiterer Schäden (3.035,62 Euro), die an seinem Fahrzeug während der Beschlagnahme entstanden sind, verfolgt der Kläger mit der Berufung nicht mehr weiter (Bl. 96).
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die sich am Wertverlust des Fahrzeugs orientierende Entschädigung sei angemessen. Die für das Schadensersatzrecht im Straßenverkehr entwickelten Grundsätze seien nicht unbeschränkt auf den Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung von Strafverfolgungsmaßnahmen anzuwenden, denn dies gewähre für verschuldensunabhängige und rechtmäßige Eingriffe nur eine Entschädigung und keinen vollen Schadensersatz. Das Tabellenwerk von Sanden/Danner könne nicht als Grundlage für die Berechnung einer 518-tägigen Beschlagnahme eines Pkw herangezogen werden. Es sei für den unfallbedingten Ausfall von Kraftfahrzeugen entwickelt worden, bei der auch wesentliche feste Kosten, wie die Kfz-Steuer und die Versicherungen berücksichtigt würden. Außerdem seien die Tabellenwerte, bei denen es sich um bereinigte Mietpreise für gleichwertige Ersatzfahrzeuge handele, nur insoweit als Berechnungsgrundlage geeignet, als es sich um Zeiträume handele, für die üblicherweise Ersatzfahrzeuge angemietet würden. Die begehrte Nutzungsentschädigung i.H.v. 41.440 Euro sei schließlich auch mit Blick auf den Zeitwert des Fahrzeugs von 26.381 Euro und die Entschädigungsregelung in § 7 Abs. 3 StrEG für Nichtvermögensschäden nicht vermittelbar. Im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Er meint, das LG habe die Entschädigung nicht auf den Wertverlust beschränken dürfen, sondern habe ihm für jeden Tag der Beschlagnahme eine Nutzungsentschädigung zahlen müssen. Die Höhe der Nutzungsentschädigung werde auch nicht durch den Wiederbeschaffungswert des beschlagnahmten Fahrzeugs begrenzt.
Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern un...