Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anerkenntnis auch in einem schlüssigen Verhalten und unter Umständen sogar in bloßem Stillschweigen bestehen, wenn das Verhalten des Schuldners das Bewusstsein vom Bestehen der Schuld unzweideutig zum Ausdruck bringt.
2. Die vorbehaltlose Erfüllung von Einzelansprüchen eines Schadensersatzberechtigten unterbricht die Verjährung des rechtskräftig festgestellten Gesamtanspruchs.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 19 O 135/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des LG Hannover vom 28.9.2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den nach dem Schlussurteil des LG Stade vom 14.9.1972 (3 O 352/71) weiter entstandenen und nicht regulierten Schaden, soweit dieser ab dem 1.1.2002 fällig werdende wiederkehrende Leistungen betrifft, sowie den noch entstehenden künftigen Schaden aus dem Schadensereignis vom 1.11.1970 zu 3/4 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige übergangsberechtigte Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die je andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 25.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den grundsätzlichen Umfang der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus einem Verkehrsunfall.
Die Klägerin erlitt bei einem Verkehrsunfall am 1.11.1970 schwere Körperverletzungen. Mit rechtskräftigem Schlussurteil des LG Stade vom 14.9.1972 (vgl. Bl. 19 f. d.A.) ist festgestellt worden, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten - die Provinzial Lebensversicherung - verpflichtet ist, der Klägerin ¾ der künftig noch aus dem Unfallereignis entstehenden Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Die Klägerin begehrt vorliegend die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht der Beklagten, soweit die Schäden noch nicht reguliert worden sind, sowie in Bezug auf die künftig entstehenden Schäden aus dem genannten Schadensereignis zu ¾, vorbehaltlich des Übergangs auf übergangsberechtigte Dritte. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf Verjährung berufen.
Das LG hat der Klage uneingeschränkt stattgegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, der Klageanspruch sei verjährt. Seit dem Feststellungsurteil aus dem Jahr 1972 seien bis zur Einreichung der Klage im vorliegenden Verfahren mehr als 30 Jahre vergangen. In der Zwischenzeit habe sie kein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis i.S.v. § 208 BGB a.F. abgegeben. Sämtliche Handlungen und Erklärungen von ihr hätten nur den Zweck gehabt, den rechtskräftigen Titel zu erfüllen. Darüber hinaus könne es nicht sein, dass sie unbegrenzt Rücklagen bilden müsse für eine etwaige Inanspruchnahme. Der Schriftverkehr zwischen den Parteien zur Höhe des Folgeschadens habe nicht jedes Mal erneut die 30-jährige Verjährungsfrist in Gang setzen können. Damit sei die 30-jährige Verjährungsfrist des Stammrechts Ende 2002 abgelaufen. Auch die wiederkehrenden Leistungen bis zum Jahr 2003 einschließlich seien verjährt, da die Klage erst 2006 erhoben worden sei.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Ferner beantragt die Beklagte im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach divergierende Rechtsprechung zur Frage, inwieweit einer Zahlung die Wirkung eines Anerkenntnisses zugebilligt werden kann, die Zulassung der Revision (vgl. Schriftsatz vom 30.1.2007, Bl. 257 f. d.A.).
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 189 d.A.) sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II. Die Berufung ist zum Teil begründet. Dies betrifft die wiederkehrenden Leistungen bis Ende 2001.
1. Zum Stammrecht:
Die Berufung ist insoweit unbegründet. Das Stammrecht ist nicht verjährt.
a) Wie im Beschluss des Senats vom 6.3.2006 ausgeführt (Bl. 114 f. d.A.), ist die durch die Rechtskraft des Schlussurteils des LG Stade vom 14.9.1972 gem. § 218 Abs. 1 BGB a.F. in Gang gesetzte reguläre 30-jährige Verjährungsfrist gem. § 208 BGB a.F. schon dadurch unterbrochen worden, dass die Antragsgegnerin ihre Einstandspflicht für die Folgen der unfallbedingten Spätschäden im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule der Antragstellerin jedenfalls dem Grund nach mehrfach im Schriftv...