Leitsatz (amtlich)
1. Das Vorliegen einer Einsatzfahrt allein gibt einem Rettungswagen noch kein Vorfahrtsrecht.
2. Allein durch die Betätigung des Blaulichts wird für andere Verkehrsteilnehmer keine Verpflichtung geschaffen, gem. § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO sofort freie Bahn zu schaffen.
3. Ein Rettungswagen darf bei Rotlicht nur in eine Kreuzung einfahren, wenn sein Fahrer sich hinreichend vergewissert hat, dass sämtliche Fahrbahnen des Querverkehrs frei sind oder die darauf befindlichen Fahrzeuge ihm Vorrang einräumen.
4. Auch wenn Verkehrsteilnehmer nicht von vornherein damit rechnen müssen, dass ein Einsatzfahrzeug nur mit blauem Blinklicht und ohne Betätigung des Einsatzhorns bei Rotlicht durchfährt, ist das blaue Blinklicht eines Rettungswagens schon für sich genommen ein Warnsignal, das zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht mahnt.
Normenkette
StVO §§ 35, 38
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 10.02.2010; Aktenzeichen 12 O 292/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten zu 2 wird das am 10.2.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Hannover in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Senats vom 7.9.2010 teilweise abgeändert.
Auf die Widerklage werden die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 3 verurteilt, als Gesamtschuldner an den Beklagten zu 2 weitere 2.137,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.10.2008 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 402,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen, wobei die Verzinsung für die Klägerin ab 14.2.2009 und für die Drittwiderbeklagte zu 3 ab 17.2.2009 beginnt.
Die hinsichtlich der Zinsforderung geringfügig weitergehende Berufung des Beklagten zu 2 wird zurückgewiesen.
2. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärten Rücknahmen der Berufungen der Klägerin gegen die Beklagten zu 1 und 2 (betreffend die Klage) und der Drittwiderbeklagten zu 3 (betreffend die Widerklage) sowie der Beklagten zu 1 und 2 gegen die Drittwiderbeklagte zu 3 (betreffend die Klage) sind die Rechtsmittelführer ihrer jeweiligen Rechtsmittel verlustig gegangen (§ 516 Abs. 3 ZPO); die Anschlussberufung der Beklagten zu 1 und 2 gegen die Klägerin (betreffend die Klage) hat ihre Wirkung verloren (§ 524 Abs. 4 ZPO).
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
a) Kosten des ersten Rechtszugs:
Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 32 %, die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 3 als Gesamtschuldner weitere 10 %, der Beklagte zu 2 10 % und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner weitere 48 %.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner 53 %; 47 % trägt die Klägerin selbst.
Die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten zu 2 trägt der Beklagte zu 2 zu 100 %.
Die Drittwiderbeklagte zu 3 trägt ihre außergerichtlichen Kosten in voller Höhe selbst.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt die Klägerin 40 %; 60 % trägt die Beklagte zu 1 selbst.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 tragen 32 % die Klägerin, weitere 10 % die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 3 als Gesamtschuldner sowie 58 % der Beklagte zu 2 selbst.
b) Kosten des Berufungsverfahrens:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 tragen 88 % die Klägerin, weitere 5 % die Drittwiderbeklagte zu 3 und weitere 7 % die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 3 als Gesamtschuldner.
Die Klägerin trägt ferner 100 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.
Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 3 jeweils selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Aufgrund der Rücknahmen der Berufungen der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zu 3 sowie der Anschlussberufung der Beklagten zu 1 und 2 gegen die Drittwiderbeklagte zu 3 war vom Senat nur noch über die Berufung des Beklagten zu 2 gegen die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu 3 hinsichtlich der Widerklage zu entscheiden. Dieses Rechtsmittel hat mit Ausnahme eines Teils der Zinsen auf die zuerkannten außergerichtlichen Anwaltskosten Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang.
1. Fahrzeugschäden des Beklagten zu 2:
Der Beklagte zu 2 kann von der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zu 3 gem. § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG Ersatz seines vollen, der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitigen Sachschadens von 3.562,76 EUR wegen der Beschädigung seines Pkw Fiat durch den Rettungswagen (RTW) der Klägerin bei der Kollision am 3.5.2008 in Hannover verlangen. Denn nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme hat die Klägerin für die Unfallfolgen zu 100 % allein einzustehen. Deshalb waren dem Beklagten zu 2 über die vom LG bereits ausgeurteilten 1.425,10 EUR weitere 2.137,66 EUR...