Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung eines Zuschlagsschreibens, mit dem der Bieter in einem förmlichen Vergabeverfahren gebeten wird, eine Vertragsausfertigung, die nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen war, umgehend unterzeichnet zurückzusenden.
Normenkette
BGB §§ 146, 150 Abs. 2, § 154 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 7 O 251/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 2 und 3 wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 15. Dezember 2021 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die ehemalige Beklagte zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz. Im Übrigen trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2 und 3 gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2 und 3 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 488.672,29 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das klagende Land verlangt Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages über die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen B. für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. März 2019.
Zwischen den Parteien steht im Streit, ob zwischen dem Kläger und der ehemaligen Beklagten zu 1, einer aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehenden Bieter-/Arbeitsgemeinschaft, ein Vertrag über die von der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr förmlich ausgeschriebenen Dienstleistungen zustande gekommen ist.
Zu der europaweiten Ausschreibung (s. Ausschreibungsunterlagen Anlage K 2, Bl. 8 ff. Anlbd. K) gab die aus den Beklagten zu 2 und 3 bestehende Bietergemeinschaft unter dem 9. Februar 2015 ein Angebot ab (Anlage K 1, Anlbd. K).
Mit Zuschlagsschreiben vom 17. März 2015 (Anlage K 3, Bl. 35 ff. Anlbd. K) erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, dass den Beklagten der Zuschlag erteilt werde. Sie forderte die Beklagten auf, "mit der Ausführung der Leistung ab dem 01.04.2015 zu beginnen."
Weiter heißt es:
"Sie werden gebeten, umgehend die anliegenden Schriftstücke unterzeichnet zurück zu senden:
- Eine Ausfertigung des Vertrags mitsamt Anlagen
- Mitteilung über die Projektleitung"
Dem per Einschreiben an die Beklagten übersandten Zuschlagsschreiben waren - wie in dem Kopf des Schreibens angegeben - u.a. zwei Vertragsausfertigungen nebst jeweils drei Anlagen beigefügt (Bl. 37R ff. Anlbd. K). Das Schreiben war zudem "vorab per Fax" übersandt worden. Der Faxsendung waren die Anlagen noch nicht beigefügt.
Der Vertragsentwurf war nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen; die Beklagten erhielten diesen erstmals mit dem Zuschlagsschreiben.
Die Beklagten kamen der Bitte um Unterzeichnung der Vertragsausfertigungen nicht nach. Im Folgenden kam es zu Unstimmigkeiten über einen von den Beklagten gewünschten Vertragszusatz (Anlagen B 4, B 5 und B 6, Anlbd. B). Mit E-Mail vom 26. März 2015 bat der Kläger, den unterzeichneten Vertrag umgehend zurückzugeben und die Arbeiten vertragsgemäß am 1. April 2015 vor Ort aufzunehmen (Anlage B 5). Nachdem die Beklagten die Unterzeichnung des "Vertragsvorschlags" ablehnten (Anlage B 6), erklärte die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr mit Schreiben vom 27. März 2015, nach Rücksprache mit ihrer Rechtsabteilung und der Geschäftsleitung sei eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend notwendig, es sei bereits ein Vertrag auf der Grundlage des Angebots zustande gekommen (Anlage K 4, Bl. 49 d.A.). Die Beklagten erwiderten mit E-Mail vom gleichen Tag, dass nach ihrer Auffassung kein Vertrag zustande gekommen sei (Anlage K 5, Bl. 50 d.A.).
Das Landgericht hat das Verfahren hinsichtlich der (ehemaligen) Beklagten zu 1 abgetrennt und an das Landgericht Braunschweig verwiesen.
Die Beklagten zu 2 und 3 (fortan als Beklagte bezeichnet) hat das Landgericht antragsgemäß "als Gesamtschuldner neben der gesondert in Anspruch genommenen Beklagten zu 1" zur Zahlung von 488.672,29 EUR verurteilt. Die Beklagten hätten dem Kläger die durch eine anderweitige Beauftragung der Sicherheitskontrollen entstandenen Mehrkosten zu erstatten. Das von den Beklagten als Bietergemeinschaft abgegebene Angebot habe der Kläger durch die Zuschlagserklärung vom 17. März 2015 unverändert angenommen. Es liege kein modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB vor. Der Kläger habe klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass der Vertrag gemäß dem Angebot der Beklagten zur Durchführung gelangen solle. Es stelle keine Annahme unter Änderungen im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB dar, dass der Kläger in dem Schreiben gefordert habe, einen beigefügten Vertragsentwurf unterzeichnet zurückzusenden. Im Streitfall werde die Durchführung des Vertrages nicht von der Unterzeichnung des Vertrages abhängig gemacht, was sich daraus ergebe, dass der Kläger der Bitte um Unterze...