Leitsatz (amtlich)
1. Richtet sich die Klage gegen die Verurteilung zur Auskunft über zurückliegende Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung, ist für die Frage, ob die Berufungssumme erreicht ist, auf den mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwand des Versicherers abzustellen.
2. Auf ein dieses wirtschaftliche Interesse erhöhendes Geheimhaltungsinteresse kann sich ein Krankenversicherer hinsichtlich dieser Angaben nicht berufen.
3. Aus dem Umstand, dass das Ausgangsgericht trotz der Verurteilung des Versicherer4s zur Auskunft die Kosten des Rechtsstreits dem Versicherungsnehmer auferlegt hat, kann regelmäßig geschlossen werden, dass es die aus der Auskunftsverurteilung resultierende Beschwer als geringfügig angesehen und bewusst vor der Zulassung der Berufung abgesehen hat. Einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht bedarf es dann nicht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1741/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig, Aktenzeichen 03 O 1741/21, vom 27.01.2022 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 200,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich gegen in den Jahren 2013 bis 2021 erfolgte Beitragsanpassungen ihrer bei der Beklagten geführten privaten Krankenversicherung. Sie begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit von Prämienneufestsetzungen in den Jahren 2013 bis 2015, Rückzahlung von Prämienanteilen nebst Herausgabe von verzinslichen Nutzungsersatz sowie Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation für Beitragsanpassungen in den Jahren 2013 bis 2021.
Der Einzelrichter beim Landgericht hat die Beklagte zur Auskunftserteilung hinsichtlich der zum 01.01.2021 erfolgten Prämienanpassung unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Berufung vor, die Auskunftsklage sei mangels Rechtsschutzinteresses bereits unzulässig, da die Kenntnis der Höhe der auslösenden Faktoren einem VN auch im Hinblick auf § 8b MB/KK keinen Erkenntnisgewinn bezüglich der Wirksamkeit der Beitragsanpassungen verschaffen würde. Sie sei auch unbegründet, da ein Zahlungsanspruch aufgrund der Auskunft nicht möglich, die Auskunft daher nicht erforderlich und unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht geboten sei.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 27.01.2022, Az 3 O 1741/21, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts.
Mit Verfügung vom 07.07.2022 hat der Vorsitzende des Senats darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung der Beklagten zu verwerfen, da - ausgehend von dem Abwehrinteresse der Beklagten - der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 200,- EUR festzusetzen sei und daher nicht die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von mehr als 600,- EUR erreichen würde. Die Beklagte hat in ihrer Stellungnahme mit Schriftsatz vom 12.07.2022 ausgeführt, der Beschwerdewert sei zumindest in Höhe des aus den Beitragsanpassungen folgenden Rückforderungsanspruch zu bemessen. Das Berufungsgericht sei zudem verpflichtet, die vom Landgericht unterlassene Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachzuholen, die im Streitfall zu gewähren sei, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe und überdies die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern würde.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600,00 EUR nicht (§ 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO).
1. Der Wert der Beschwer für die im Berufungsverfahren anhängige Auskunftserteilung ist auf 200,- EUR festzusetzen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes richtet sich nach dem Interesse der Beklagten, ihre erstinstanzliche Verurteilung zu beseitigen. Das Interesse der Klägerin an einer Aufrechterhaltung der Entscheidung des Landgerichts spielt für den Wert keine Rolle (vgl. Zöller/Heßler, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 511 ZPO Rn. 20). Entgegen der Ansicht der Berufung ist daher die Höhe der von Klägerseite nach Erteilung der begehrten Auskunft beabsichtigte Beitragsrückforderung für die Streitwertbemessung ohne Belang.
Werden Auskunftsansprüche geltend gemacht, fallen der Streitwert und die Beschwer des zur Auskunft Verurteilten in aller Regel auseinander. Der Streitwert richtet sich nach dem Interesse des Klägers an der Erteilung der Auskunft. Dieses ist nach einem gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - III ZR 338/09, NJW 2011, 926 [juris Rn. 17] mwN; Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZB 94/16, juris Rn. 26). D...