Leitsatz (amtlich)
Die unrichtige Wiedergabe eines Zitats kann aufgrund einer Abwägung aller Umstände hinzunehmen sein, wenn die Abweichung vom tatsächlichen Wortlaut so unerheblich ist, dass hierdurch der Geltungsanspruch des Zitierten nicht beeinträchtigt ist.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 2488/15) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Verlegerin der "XY Zeitung" auf Unterlassung zweier Behauptungen aus einem am 17.9.2015 unter der Überschrift "V. - Ortschaftsrat" erschienen Artikel in Anspruch. Er begehrt zudem die Veröffentlichung dieser Unterlassungsansprüche, hilfsweise deren öffentlichen Widerruf. Das LG hat der Klage nur bezüglich eines Teils der Unterlassungsansprüche stattgegeben. Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Unter umfänglicher Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertritt er insbesondere die Auffassung, eine Erheblichkeitsschwelle sei nicht Voraussetzung für einen gegen ein Zitat gerichteten Unterlassungsanspruch. Zu Unrecht habe das LG überdies eine solche Erheblichkeit verneint, soweit es die Klage abgewiesen habe. Es sei der Beklagten überdies auch zuzumuten, ihre Verurteilung zur Unterlassung in der Ausgangsberichterstattung vergleichbarer Weise zu veröffentlichen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
1. Das LG hat im Ergebnis zutreffend und im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung auch des Senats erkannt, dass dem Kläger kein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Behauptung zusteht, er habe in der Sitzung des Ortschaftsrates S.-W. vom 14.9.2015 behauptet, in der Zeitung "J." seien der Publizist G. und der Politikwissenschaftler P. interviewt worden. Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann er sich für seine abweichende Auffassung nicht berufen. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt die Berufung freilich an, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht bereits dann verletzt ist, wenn jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen (BVerfG 54, 148 [155] - Eppler; BGH NJW 1998, 1391 - Rechte Professoren; NJW 1982, 635 - Böll/Walden II; Erman-Klass in: BGB, Kommentar, Anhang zu § 12 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Rn 196). Der maßgebliche Grund für diesen Schutz liegt darin, dass mit dem Zitat eine objektive Tatsache über den Betroffenen behauptet wird, weshalb das Zitat eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf ist (so auch BGH NJW 2011, 3516 Erman-Klass aaO.). Ist es unrichtig, verfälscht oder entstellt, so greift dies in das Persönlichkeitsrecht des Kritisierten umso tiefer ein, als er hier sozusagen als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt wird (LG Köln NJOZ 2010, 1233 [1234]). Unrichtige Zitate unterfallen daher grs. nicht dem Schutzzweck des Art 5 Abs. 1 GG, denn an der Wiedergabe von erwiesen unwahren Tatsachen gibt es kein schutzwürdiges Interesse. Die Wiedergabe von unrichtigen Zitaten, d.h. von solchen, die so nicht gefallen sind oder durch Auslassungen oder Hinzufügungen in ihrer Aussage verändert werden, verletzt folglich die Befugnis des Einzelnen zur selbstbestimmten Darstellung. Was den eigenen sozialen Geltungsanspruch im Einzelnen ausmacht, kann dabei nur Sache der Person selbst sein. Vor diesem Hintergrund darf dem Zitierten auch grs. nicht die Entscheidung über sein eigenes Wort genommen werden, indem die mögliche Beurteilung Dritter zum Maßstab gemacht wird (BVerfG 54, 208 [217] - Heinrich Böll; BGH NJW 2011, 3516 [3516]). Der Zitierte hat vielmehr einen Anspruch darauf, dass seine Aussage an seinem Selbstverständnis, also daran gemessen wird, wie und in welchem Kontext er die Äußerung gemacht hat, und nicht daran, wie ein Teil der Leser die Äußerung (miss-)verstehen könnte, solange das Zitat als eindeutige, einer Interpretation nicht bedürftige Erklärung des Zitierten ausgegeben wird (BGH NJW 2006, 609 - Rechtsanwalt der Aktionäre; unter Verweis auf BVerfG 54, 148 [155] - Eppler; 54, 208 [217] - Heinrich Böll; NJW 1993, 2925 [2926] - BKA-Präsident).
Dies bedeutet allerdings nicht, dass jede geringfügige Abweichung eines Zitats vom tatsächlichen Wortlaut de...