Leitsatz (amtlich)
1. Bei Zweifeln an der Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG und vorsorglicher Anrufung der beiden als funktionell zuständig in Frage kommenden Berufungsgerichte besteht nicht die Möglichkeit, den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO durch das eine an das andere Gericht (oder umgekehrt) zu verweisen.
2. Rechtshängigkeit, auf deren Zeitpunkt § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG abstellt, ist nicht zwingende Anwendungsvoraussetzung der Vorschrift. Hatte eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand während des gesamten ersten Rechtszuges unzweifelhaft nicht im Inland, kommt es auf eine - nur für den genauen Beurteilungszeitpunkt innerhalb der ersten Instanz relevante - wirksame Klagezustellung nicht an und ist das OLG für die Berufung selbst dann zuständig, wenn das AG die Rechtshängigkeit des beschiedenen Anspruchs zu Unrecht angenommen hat.
3. Hat das AG über eine Nichtigkeitsklage entschieden, ist für die Berufung das OLG zuständig, wenn eine der Parteien bei Rechtshängigkeit der Nichtigkeitsklage ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hatte; die Gerichtsstandsverhältnisse des Ausgangsverfahrens sind insoweit bedeutungslos.
4. Im Falle der Verwerfung oder Abweisung einer unbeschränkten Nichtigkeitsklage bemisst sich die Beschwer allein nach dem Wert des Hauptsacheanspruchs, über den im Ausgangsprozess zu Lasten des Nichtigkeitsklägers entschieden wurde.
Verfahrensgang
AG Leipzig (Urteil vom 06.09.2006; Aktenzeichen 9 C 2497/03) |
Tenor
1. Die Berufung gegen das Urteil des AG Leipzig vom 6.9.2006 - 9 C 2497/03 - wird auf Kosten der Beklagten verworfen.
2. Streitwert der Berufung: 570 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nahm bzw. nimmt die Beklagte, ein in Malta ansässiges Unternehmen, auf Rückzahlung vorausbezahlter, aber nicht erbrachter Reiseleistungen i.H.v. 570 EUR in Anspruch. Das AG erließ im schriftlichen Vorverfahren - ähnlich wie in zwei weiteren, vor demselben Richter geführten Verfahren gegen die Beklagte - ein der Klage in vollem Umfang stattgebendes Versäumnisurteil; nach Einschätzung des AG ist es wirksam zugestellt und rechtskräftig. Mit dem angegriffenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das AG die Nichtigkeitsklage der Beklagten, ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie ihren Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 16.2.2004 verworfen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Auf den Berichterstatterhinweis u.a. darauf, dass in vorliegender Sache die erforderliche Beschwer von mehr als 600 EUR nicht erreicht sei, hat die Beklagte entgegnet, ihr Vollstreckungsabwehrinteresse sei maßgebend und übersteige im Hinblick auf die zusätzlich angeordnete Kostentragungspflicht 600 EUR.
II. Die Berufung ist unzulässig und daher gem. § 522 Abs. 1 ZPO mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
1. Die Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels folgt daraus, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes nur 570 EUR beträgt und das AG die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, § 511 Abs. 2 ZPO. Entgegen der Ansicht der Beklagten bemisst sich die Beschwer im Falle der Verwerfung oder Abweisung einer Nichtigkeitsklage - unabhängig davon, ob das AG die Antragsschrift der Beklagten nach ihrem Inhalt nicht ausschließlich als Einspruch hätte behandeln müssen (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2006 - V ZR 282/05, BGHReport 2007, 75 = www.bundesgerichtshof.de) - allein nach dem Wert des Hauptsacheanspruchs, über den im Ausgangsprozess zu Lasten des Nichtigkeitsklägers entschieden wurde. Für den Streitwert einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage ist dies allgemein anerkannt (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16 Stichworte "Nichtigkeitsklage" und "Restitutionsklage" m.w.N.; vgl. auch BFH, Beschl. v. 26.7.1988 - VII E 3/88, juris). Für die Beschwer, die der erstinstanzliche Misserfolg eines Wiederaufnahmeverfahrens begründet, gilt dasselbe. Dies hat der BGH bereits zutreffend entschieden (Beschl. v. 4.4.1978 - VI ZB 11/77, AnwBl. 1978, 260). Die im Versäumnisurteil getroffene Kostengrundentscheidung erhöht die Beschwer nicht (vgl. auch BGH, Beschl. v. 29.3.1968 - VIII ZR 141/65, NJW 1968, 1275: nicht einmal bei einer Klage aus § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einem angeblich erschlichenen Urteil nebst Kostenfestsetzungsbeschluss und auf Herausgabe der beiden Titel sind die festgesetzten Kosten bei der Streitwertbemessung hinzuzurechnen). Die im Schriftsatz der Beklagten vom 30.11.2006 angeführte Entscheidung des BGH (abgedruckt in BGH v. 31.1.2001 - XII ZB 121/00, MDR 2001, 709 = BGHReport 2001, 306 = NJW 2001, 1652) betrifft eine gänzlich andere Frage, nämlich diejenige, wie die Beschwer des zur Auskunftserteilung Verurteilten zu berechnen ist. Hierfür ist seit der grundlegenden Klärung durch BGHZ 128, 85 in der Tat vornehmlich das Kosteninteresse des Verurteilten maßgeblich. Allerdings sind auch in diesem Zusammenhang nicht die Kosten gemeint, die eine gerichtliche - im praktisch wichtigsten Anwendungsfall einer Stuf...