Leitsatz (amtlich)
1. Die Äußerung eines in einer Fernsehsendung zu Fragen des Verbraucherschutzes befragten Experten muss sich der Programmverantwortliche zurechnen lassen.
2. Die technische unzutreffende Beschreibung eines bewerteten Produkts stellt regelmäßig eine Tatsachenbehauptung dar. Ist diese im Gesamtkontext für die hieraus abgeleitet Bewertung unbedeutend, kommen Unterlassungsansprüche hiergegen indes nicht in Betracht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 646/22 EV) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von vier Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.9.2022 wird aufgehoben.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren soll auf 40.000,- EUR festgesetzt werden.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
I. Der Verfügungskläger (Kläger) betreibt als Einzelhandelskaufmann die "T... W...". Er nimmt die Verfügungsbeklagte (Beklagte) wegen eines am 3.3.2022 in dem von ihr verantworteten MDR-Fernsehprogramm in der Sendung "Voss und Team" enthaltenen Beitrages in Anspruch. Dort hatte sich die Beklagte unter Bezug auf Äußerungen eines in dem Bericht zu Wort kommenden Verbraucherschützers kritisch mit dem vom Kläger vertriebenen Ionisator CLEAN-Tec beschäftigt und den Verkauf eines Trockendampfreinigers durch einen Mitarbeiter der T... Handelsgesellschaft GmbH, an der der Kläger nicht beteiligt ist, im Jahre 2018 für einen Preis von 2700,- EUR an einen Rentner kritisiert. Der Kläger meint, durch die angegriffenen Äußerungen werde die Wirkungsweise des von ihm vertriebenen Reinigungsgeräts unzutreffend dargestellt und die nach einem Gutachten der Universität Padua feststehende Wirkung in Abrede gestellt. Dies rechtfertige einen Unterlassungsanspruch. Das Landgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und in Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung vertieft.
II. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht zurückgewiesen. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers scheidet unter allen denkbaren Gesichtspunkten aus.
1. Soweit sich der Klägerin gegen behauptete Tatsachen in der streitgegenständlichen Berichterstattung wendet, ist Grundlage für einen Unterlassungsanspruch allein § 824 BGB. Dieser schützt die wirtschaftliche Wertschätzung von Personen und Unternehmen vor unmittelbaren Beeinträchtigungen, die durch Verbreitung unwahrer Behauptungen über sie herbeigeführt werden. Eine solche Verbreitung kann grundsätzlich auch durch das Ausstrahlen von Filmaufnahmen erfolgen, mit denen Vorgänge oder Zustände dokumentiert werden sollen (BGH, Urteil vom 10. April 2018 - VI ZR 396/16 -, Rn. 8, juris; Urteil vom 16. Dezember 2014 - VI ZR 39/14 - juris). Der vom Landgericht herangezogene Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbetriebes ist nach ständiger Rechtsprechung subsidiär, wenn es um den durch § 824 BGB sowie ggf. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zu gewährleistenden Schutz vor unmittelbaren Beeinträchtigungen geht, die durch Verbreitung unwahrer Behauptungen herbeigeführt werden (BGH, Urteil vom 21. April 1998 - VI ZR 196/97; Urteil vom 10. Dezember 1991 - VI ZR 53/91 - juris). Das Unternehmerpersönlichkeitsrecht und der Schutz des eingerichteten Gewerbebetriebes kommen aber insoweit in Betracht, als gegen geschäftsschädigende Meinungsäußerungen, die die Grenze zur Schmähkritik überschreiten, vorgegangen werden soll. Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch des Klägers als Wirtschaftsunternehmen, weil die in dem Film wiedergegebenen Äußerungen geeignet sind, sein Ansehen und seinen wirtschaftlichen Ruf in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und in klarem Widerspruch zur öffentlichen Selbstdarstellung des von ihm betriebenen Unternehmens stehen.
2. Die Berufung beanstandet auf dieser Grundlage aber ohne Erfolg die Entscheidung des Landgerichts. Das angegriffene Urteil geht vielmehr von den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Auslegungsgrundsätzen aus und wendet diese zutreffend auf die geltend gemachten Unterlassungsansprüche an.
a) Hiernach ist auch bei einer Fernsehberichterstattung...