Leitsatz (amtlich)
1. Eine juristische Person kann sich zu dem behaupteten Abschluss eines Darlehensvertrages auch dann nicht mit Nichtwissen erklären, wenn ihr an den Verhandlungen beteiligter Vertreter zwischenzeitlich unter Mitnahme des maßgeblichen Schriftverkehrs aus dem Unternehmen ausgeschieden ist.
2. In einem solchen Fall trifft sie vielmehr eine Erkundigungspflicht hinsichtlich der Handlungen derjenigen Personen, die in ihrer Verantwortung tätig geworden sind.
3. Ist nach dem Wortlaut eines Vertrages unklar, ob eine Schuldübernahme oder ein Schuldbeitritt gewollt war, ist im Zweifel von einem Schuldbeitritt auszugehen.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 6 O 359/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Der Kläger hat einen Anspruch nach § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Rückzahlung des streitgegenständlichen Betrages. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, das nach Vernehmung der Zeugin S... davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Abschluss eines Darlehensvertrages sowie die Auskehr der Darlehensmittel im Umfang der Klageforderung nachgewiesen hat, begegnet keinen Zweifel, die Anlass zu einer erneuten Beweisaufnahme böten.
1. Entgegen der Auffassung der Berufung ist vom wirksamen Abschluss eines Darlegungsvertrages zwischen den Parteien auszugehen. Einer Beweisaufnahme durch Einholung eines graphologischen Gutachtens oder der Vorlage der Originaldarlehensurkunde durch den Kläger bedarf es nicht. Der Vortrag des Klägers zum Abschluss des Darlehensvertrages ist vielmehr nach den Grundsätzen des § 138 Abs. 2, 4 ZPO als zugestanden zu behandeln. Das erstinstanzliche Vorbringen, der Darlehensvertrag liege der Beklagten nicht vor, so dass "dessen Inhalt bis zur Vorlage vollumfänglich bestritten werden muss", ist unbehelflich.
a) Unter Vorlage der Kopie eines Darlehensvertrages vom 15.11.2014 (Anlage K 1) hat der Kläger vorgetragen, ein entsprechender Darlehensvertrag sei zwischen den Parteien - seinerzeit vertreten durch die unstreitig alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und Zeugin V... S... - geschlossen worden. Hierzu kann sich die Beklagte zulässigerweise nicht mit Nichtwissen erklären. Denn der behauptete Abschluss eines Darlehensvertrages mit einer Partei ist auch dann Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung i.S.d. § 138 Abs. 4 ZPO, wenn es sich hierbei um eine juristische Person handelt, deren handelnde Vertreter nach dem behaupteten Vertragsschluss aus dem Unternehmen ausgeschieden sind, weil es sich auch dann bei der auf den Vertragsschluss abzielenden Willenserklärung um eine eigene Handlung der juristischen Person handelt, die nicht mit Nichtwissen bestritten werden kann (vgl. statt aller Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl. § 138 Rn. 13). Die erklärungspflichtige Partei trifft zudem eine Informations- und Erkundigungspflicht hinsichtlich der Handlungen derjenigen Personen, die unter ihrer Anleitung, Aussicht oder Verantwortung tätig geworden sind (BGH, Urteil vom 19.04.2001, I ZR 238/98, Ziffer 30 m.w.N.; OLG München, Urteil vom 15.11.2019 - 13 U 407/18, Rz. 36 m.w.N.). Dass mit Wirkung zum 29.10.2018 die Zeugin V... S... als Geschäftsführerin abbestellt und an ihrer Stelle H...-J... A... F... zum Geschäftsführer bestellt wurde, ändert hieran nichts, zumal sich auch aus der Aussage der Zeugin S... vor dem Landgericht gerade nicht ergibt, dass die von ihr möglicherweise nicht herausgegebenen Geschäftsunterlagen für den neuen Geschäftsführer nicht zugänglich oder vernichtet worden sind. Für Geschäftsunterlagen besteht sowohl nach dem Handelsgesetzbuch (§ 257 HGB) als auch nach der Abgabenordnung (§ 147 AO) eine mindestens 6-jährige Aufbewahrungspflicht, die bei Übernahme der Geschäftsführung durch den neuen Geschäftsführer noch nicht abgelaufen war. Kontounterlagen und auf dem Computer der Firma vorhandener E-Mail-Verkehr dürften ohnehin sowohl bei der zuständigen Bank als auch im PC abrufbar sein. Obendrein würde auch die häusliche Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen durch die vormalige Geschäftsführerin V... S... nichts an der Zugänglichkeit dieser Unterlagen ändern: Die Zeugin ist unter derselben Anschrift wohnhaft, an der sich auch der Geschäftssitz der Beklagten befindet (A...straße xx in D...). Dabei handelt es sich um ein kleines Haus, das zugl...