Leitsatz (amtlich)
1. Eine Reservierungsvereinbarung zwischen Verkaufs- und Kaufinteressenten bedarf der notariellen Form, wen sie eine einem Vorkaufsrecht gleichkommende verbindliche Verpflichtung der Verkäuferin zum Abschluss eines Immobiliarkaufvertrages enthält.
2. Ein Reservierungsentgelt in Höhe von mehr als 10 % bis 15 % des üblichen Maklerlohns bedarf auch bei Vereinbarungen zwischen gewerblichen Immobilienhändlern ohne Beteiligung eines Maklers der notariellen Form. Es kommt in Betracht, bei derartigen Vereinbarungen zwischen Verkaufs- und Kaufinteressenten statt an die Höhe des üblichen Maklerlohns an einen Grenzwert von 1 % des in Aussicht genommenen Kaufpreises anzuknüpfen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 07 O 463/16) |
Tenor
1. Die mündliche Verhandlung vom 12.01.2017 wird aufgehoben.
2. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.
3. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Es wird anheimgestellt, zu prüfen, ob die Berufung - insbesondere aus Kostengründen - in gleicher Frist zurückgenommen wird.
Gründe
I. Beide Parteien sind gewerblich im Immobilienhandel tätig. Die Klägerin begehrt von der Beklagten über bereits erhaltene 8.000,00 EUR weitere 16.000,00 EUR aus einer Reservierungsvereinbarung vom 15.09.2015; die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage von der Klägerin die Rückzahlung der vorgenannten 8.000,00 EUR. Die Reservierungsvereinbarung, über deren Art und Weise des Zustandekommens zwischen den Parteien Streit herrscht, beinhaltete bezüglich einer Liegenschaft in der C. straße ... in L. Folgendes:
"Der Angebotspreis für die Liegenschaft beträgt 800.000,00 EUR.
Der Käufer erhält die Gelegenheit und Zusage, das Objekt bis zum 13.10.2015 zu diesem Kaufpreis zu erwerben.
Der Verkäufer veräußert bis zu diesem Zeitpunkt die Liegenschaft an keinen Dritten.
Der Verkäufer stellt bis zum 21.09.2015 sämtliche für den Erwerb relevanten und nötigen Unterlagen, Gutachten und Beschlüsse zur Verfügung.
Sondervereinbarung: Das Bodengutachten der M. GmbH wurde mit dem Mailverkehr zur Verfügung gestellt. Der Käufer trägt damit das Risiko der Bodenverunreinigungen. Das ist nicht mehr Bestandteil oder ein Rücktrittsgrund im Notarvertrag.
Der Käufer bezahlt für diese Reservierungsvereinbarung eine Gebühr von 1 % (8.000,00 EUR) sofort und 2 % (16.000,00 EUR) spätestens zum 29.09.2015, die mit dem Kaufpreis verrechnet wird. Die o.g. Gebühr wird auf das Konto des Verkäufers [...] überwiesen.
Die Gebühr 3 % verbleibt beim Verkäufer, falls der Käufer vom Kauf zurücktritt.
Die Gebühr wird an den Käufer zurückerstattet, wenn der Kauf ohne sein Verschulden nicht zustande kommt."
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung sowie die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Der Schutzzweck der gesetzlichen Regelung zur notariellen Form bei Verträgen über Grundstücke verbiete es, formlose Vertragsstrafeversprechen als wirksam anzuerkennen, durch die gegen den vom Makler als möglichen Grundstückskäufer geworbenen Interessenten mittelbarer Zwang zum Erwerb ausgeübt werde. Auch im vorliegenden Fall werde ein wirtschaftlicher Zwang zum Erwerb ausgeübt, da 10 % der üblichen Maklerprovision lediglich einen Betrag von 4.000,00 EUR ergäbe. Unerheblich sei, ob die Klägerin Eigentümerin des veräußerten Grundstückes gewesen sei, da die Schutzbedürftigkeit des die Reservierungsgebühr Schuldenden nicht an die Maklereigenschaft einer Vertragspartei anknüpfe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin: Hintergrund des Abschlusses der Reservierungsgebühr sei das starke Interesse der Beklagten am Ankauf des Objektes gewesen, wobei ihr Geschäftsführer wegen eines Urlaubs Zeit für eine Kaufentscheidung benötigt habe. Da zu diesem Zeitpunkt ein anderer Kaufinteressent sogar schon einen Notartermin vorgeschlagen habe, sei auf Wunsch der Beklagten eine Reservierung gegen Entgelt abgestimmt worden. Nachdem zunächst über eine Reservierungsgebühr von 1 % des Kaufpreises gesprochen worden sei, habe die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten um eine Erhöhung auf 3 % gebeten, dem der Geschäftsführer der Beklagten zugestimmt habe. Formuliert worden sei die Reservierungsvereinbarung von einem Architekturbüro, welches von der Beklagten beauftragt worden sei. Die Reservierungsvereinbarung habe nicht den Formvorschriften des § 311b BGB unterlegen. Durch diese Vereinbarung sei kein Kaufzwang auf die Beklagte ausgeübt worden, was bereits daran zu erkennen sei, dass diese trotz der Vereinbarung von dem Kauf Abstand genommen habe. Auf diesen Sachverhalt seien die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Reservierungsgebühr im Maklerrecht nicht heranzuziehen. Die Abmachung beinhalte ein schuldrechtliches Veräußerungsverbo...