Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsanwalt hat sicherzustellen, dass mit einem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist eine Vorfrist eingetragen wird, damit die Berufungsbegründung innerhalb der verlängerten Frist fertiggestellt werden kann (Anschluss an BGH, Beschluss vom 14.6.1999, XII ZB 62/99).

2. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand in die versäumte Berufungsbegründungsfrist kann auch dann nicht bewilligt werden, wenn der Rechtsanwalt zwar die Eintragung einer solchen Vorfrist glaubhaft macht, eine eigenständige Fristenprüfung bei Aktenvorlage nach deren Ablauf aber unterlässt.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 30.12.2016; Aktenzeichen 2 O 1985/16)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Leipzig vom 30.12.2016 wird als unzulässig verworfen.

II. Der auf den 6.4.2017 datierte Antrag der Beklagten vom 18.4.2017 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist wird als unbegründet zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien haben erstinstanzlich um die Zustimmung der Beklagten zur Vermietung einer Wohnung in einem im Miteigentum der Parteien stehenden Wohnhaus gestritten. Wegen der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Nachdem die Klägerin den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt hat, hat das LG die Erledigung festgestellt und die Kosten der Beklagten auferlegt. Gegen das ihr am 4.1.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2.2.2017 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 3.3.2017 die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 6.4.2017 beantragt. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 6.3.2017 wurde die Frist unter Zurückweisung des weiter gehenden Gesuches bis zum 4.4.2017 verlängert. Eine Berufungsbegründung ist nicht innerhalb dieser Frist, sondern erst am 6.4.2017 eingegangen. Mit Verfügung vom 7.4.2017 hat der Senat auf die Fristüberschreitung hingewiesen und angekündigt, die Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Mit am 18.4.2017 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt und ausgeführt, die bis zum 31.3.2017 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten für die Eintragung und Kontrolle der Fristen zuständige und in der Vergangenheit stets zuverlässige Kanzleikraft habe aus nicht bekannten Gründen, die mit dem Fristverlängerungsantrag vorläufig auf den 6.4.2017 notierte Frist nicht auf den 4.4.2017 korrigiert, sondern im Fristenkalender belassen. Aus diesem Grund sei der Prozessbevollmächtigte auch erstmals durch den gerichtlichen Hinweis vom 7.4.2017 auf den Ablauf der Frist aufmerksam geworden.

Sie beantragt,

1. ihr Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen und

2. das Urteil des LG vom 30.12.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.

II. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 1, S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Frist zur Berufungsbegründung gem. § 520 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten worden ist. Diese Frist (3 Monate nach Zustellung des angefochtenen Urteils) war am Dienstag, dem 4.4.2017, abgelaufen. Die Berufungsbegründung ist erst nach Fristablauf am 6.4.2017 beim Oberlandesgericht eingegangen.

Der auf den 6.4.2017 datierte und beim Berufungsgericht am 18.4.2017 eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet. Die Versäumung der Frist für die Berufungsbegründung beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, das dieser gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet wird. Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 10.10.1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574; Urteil vom 5.5.1993 - XII ZR 44/92, NJW-RR 1993, 1213, 1214; Beschluss vom 15.4.2008 - VI ZB 29/07, JurBüro 2009, 54, 55; Beschluss vom 13.7.2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6). Die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen müssen zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen werden (BGH, Beschluss vom 5.2.2003 - VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815; Beschluss vom 13.7.2010 - VI ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn. 6). Beantragt der Prozessbevollmächtigte eine Fristverlängerung, so muss das beantragte Fristende bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im Fristenkalender eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig, spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, d...

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