Leitsatz (amtlich)

1. Ein hinreichender Bezug zu einem Gerichtsstand als dem Erscheinungsort ist bei einer Klage gegen die Veröffentlichung einer im Internet abrufbaren lokalen Tageszeitung auch dann gegeben, wenn sich der Gegenstand der Äußerung erkennbar an ein bundesweites Publikum richtet.

2. Bei einer Auseinandersetzung, die Züge einer Kampagne aufweist, kann Äußerung nach den Grundsätzen über das "Recht zum Gegenschlag" gerechtfertigt sein.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 2292/19 EV)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 03.12.2019 - Az.: 1a O 2292/19 EV - wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Unterlassung einer Äußerung in Anspruch. Der Antragsteller ist ein bundesweit bekannter Publizist und Buchautor, die Antragsgegnerin ist derzeit amtierende Vizepräsidentin des XXX, dem sie seit 1998 als Mitglied der Partei "YYY" angehört. In einem Interview, abgedruckt in der A... Allgemeinen Zeitung vom 20.12.2019 äußerte sie sich wie folgt:

"Auch ich versuche immer wieder, gegen Drohungen und Beleidigungen juristisch vorzugehen. Oft können die Täter nicht ermittelt werden, manchmal habe ich Erfolg. Dann kostet der Aufruf, mich aufzuhängen, gern am 4.800 Euro. Der juristische Weg ist aber nur einer von vielen. Wir dürfen nicht aufhören, das Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht - von R... T... über H... M... B... bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs. Und die Brandbeschleuniger sitzen zum Teil auch in unseren Parlamenten. Also: dagegenhalten, laut und deutlich. Denn zuerst kommt das Sagbare, und dann das Machbare. Dem Angriff auf die Menschlichkeit folgt der Angriff auf die Menschen."

Die Zeitung ist auch über das Internet abrufbar. Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin unter dem 25.10.2019 erfolglos abgemahnt. Die Antragsgegnerin reichte bei der Zentralen Schutzschriftenstelle des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main eine Schutzschrift vom 30.10.2019 ein. Der Antragsteller begehrt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen zu behaupten, das Geschäftsmodell des Antragstellers beruhe auf Hetze und Falschbehauptungen. Er ist der Auffassung, es handele sich insoweit um eine Tatsachenbehauptung, die rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife und ihn massiv herabsetze.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag in einer bei der zentralen Schutzschriftenstelle hinterlegten Schutzschrift entgegen getreten.

Das Landgericht hat mit dem hier angefochtenen Beschluss den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil in Dresden kein Gerichtsstand begründet sei. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen unter II. der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Der sofortigen Beschwerde des Antragstellers hat es nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567, 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, statthaft und damit zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

1. Allerdings scheitert der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht bereits an der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Dresden.

Gemäß § 32 ZPO ist für Klagen und Anträge aus unerlaubten Handlungen dasjenige Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Bei Presseerzeugnissen ist dies zum einen der Erscheinungsort des Druckwerks, zum anderen aber auch der Verbreitungsort (BGHZ 131, 335 m.w.N.). Wenn wie hier ein Presseerzeugnis, in dem die streitgegenständliche Äußerung enthalten ist, auch über das Internet abrufbar ist, muss ein "hinreichender" Bezug zum angerufenen Gerichtsbezirk hinzukommen, um einen ubiquitären fliegenden Gerichtsstand zu vermeiden (Zöller-Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 32 Rdnr. 20.10 m.w.N.). Für internationale Rechtsverletzungen gilt der Grundsatz, dass deutsche Gerichte dann zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen zuständig sind, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen - Interesse des Antragstellers an der Achtung seines Persönlichkeitsrechts einerseits - Interesse des Antragsgegners an der Gestaltung seines Internetauftrittes andererseits - nach den Umständen des konkreten Falles im Inland tatsächlich eingetreten sein oder eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falles im Inland erheblich näher liegt, als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Antragsteller behauptete Beeinträc...

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