Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 11 O 538/19) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2020, Az. 11 O 538/19, wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Streitwert: 10.000,00 EUR
Gründe
I. Der Verfügungskläger begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterlassung einer Äußerung der Verfügungsbeklagten in einem Interview vom 20. Oktober 2019 in der Tageszeitung "Augsburger Allgemeine".
1. Der Verfügungskläger ist Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer der Ts Einblick GmbH, die unter dem Namen "Ts Einblick" u. a. eine Online- und Videoplattform betreibt und ein Monatsmagazin herausgibt. Der Verfügungskläger entscheidet über die Veröffentlichung von Beiträgen auf der Online-Plattform. Die Verfügungsbeklagte ist Angehörige der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Deutschen Bundestages und dessen Vizepräsidentin.
Am 20. Oktober 2019 erschien in der "Augsburger Allgemeinen" ein Interview u. a. mit der Verfügungsbeklagten unter dem Titel: "Künast und Roth im Doppel-Interview: 'Manches geht nicht spurlos an dir vorbei'", in dem die Verfügungsbeklagte von Anfeindungen im Internet ihr gegenüber erzählt. Die Verfügungsbeklagte äußerte im Interview:
"Auch ich versuche immer wieder, gegen Drohungen und Beleidigungen juristisch vorzugehen. Oft können die Täter nicht ermittelt werden, manchmal habe ich Erfolg. Dann kostet der Aufruf, mich aufzuhängen, gern auch mal 4 800 Euro. Der juristische Weg ist aber nur einer von vielen. Wir dürfen nicht aufhören, das Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht - von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs. Und ja, die Brandbeschleuniger sitzen zum Teil auch in unseren Parlamenten. Also: dagegenhalten, laut und deutlich. Denn zuerst kommt das Sagbare, dann das Machbare. Dem Angriff auf die Menschlichkeit folgt der Angriff auf den Menschen."
Der Verfügungskläger hat die Verfügungsbeklagte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25. Oktober 2019 (Anlage JS 3, Blatt 14 f) aufgefordert, bis zum 1. November 2019 eine strafbewehrte Erklärung dahin abzugeben, dass sie sich zur Unterlassung der Äußerung verpflichte, das Geschäftsmodell des Verfügungsklägers beruhe auf Hetze und Falschbehauptungen. Die Verfügungsbeklagte hat dem Verfügungskläger gegenüber auf das Schreiben nicht reagiert. Am 8. November 2019 hat der Verfügungskläger den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung beantragt, bezogen allerdings nur auf die Äußerung "... deren Geschäftsmodell auf ... Falschbehauptungen beruht".
Der Verfügungskläger hatte geltend gemacht, die beanstandete Äußerung verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Die Äußerung stelle eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Bei dem Ausdruck "Falschbehauptung" handle es sich um eine Übertragung des englischen Begriffs "fake news", der "gezielt verbreitete, manipulative Falsch- und Fehlinformationen" bedeute. Mit ihrer Äußerung werfe die Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger nicht eine einzelne, ggf. versehentliche Falschbehauptung vor, sondern mache ihm den Vorwurf, dass Falschbehauptungen das grundlegende, tragende Prinzip seiner publizistischen Tätigkeit darstellten. Selbst wenn man von einer Meinungsäußerung ausginge, sei diese nicht auf eine hinreichende tatsächliche Grundlage gestützt und deshalb unzulässig. Der Kläger werde pauschal herabgesetzt, die Diffamierung seiner Person stehe im Vordergrund. Es gebe weder einen erkennbaren Bezug zu einem vom Verfügungskläger angeblich verfolgten Geschäftsmodell noch eine sachliche Auseinandersetzung mit einer konkreten Veröffentlichung des Verfügungsklägers. Die Verfügungsbeklagte sei deshalb unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zur Unterlassung der Äußerung zu verurteilen, das Geschäftsmodell des Verfügungsklägers beruhe auf Hetze und Falschbehauptungen, wie im Interview vom 20. Oktober 2019 geschehen.
Die Verfügungsbeklagte hatte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Sie hatte vorgetragen, die angegriffene Äußerung beziehe sich bereits nicht auf den Verfügungskläger als Person, sondern auf die unter seinem Namen betriebene Online-Plattform. Die Äußerung sei so substanzarm, dass sie nicht als Tatsachenbehauptung anzusehen sei. Die Äußerung enthalte keinen konkreten Vorwurf einer Falschbehauptung und sei dem Beweis nicht zugänglich. Es handle sich um eine Bewertung im politischen Meinungskampf dergestalt, dass Provokationen genutzt würden, um auf sich aufmerksam zu machen und Leser zu attrahieren.
2. Mit Urteil vom 20. Februar 2020 hat das Landgericht den Antrag auf einstweilige Verfügung als unbegründet zurückgewiesen.
Dem Verfügungskläger stehe gegen die Verfügungsbeklagte kein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äu...